Im September 2022 wurde die 7. Novelle der MaRisk-Vorgaben veröf­fent­licht – und schon zum 2. Januar 2023 wird sie scharf geschaltet. Ich habe in den letzten Wochen mit den Vorständen und Führungs­kräften zahlreicher Institute darüber gesprochen und wir sind einstimmig zu dem Schluss gekommen, dass der Ablauf in etwa so sein wird: Zuerst wird das alles groß verkündet, dann wird Druck auf die Institute aufgebaut – und die müssen sich dann fragen: Wie sollen wir die neuen Vorgaben überhaupt umsetzen? Können unsere Unter­neh­mer­kunden den Reportings überhaupt nachkommen? Wie können wir die Korrektheit der Infor­ma­tionen überprüfen? Und wie wirkt sich das alles auf das eigent­liche Kunden­ge­spräch aus? So haben wir es ja bei zahlreichen Neuerungen und Anpas­sungen erlebt. Auch bei BASEL und beim WpHG sowie bei den Anpas­sungen in Corona-Zeiten. Man lässt die Institute erst mal machen, schaut dann, was geht, und wenn etwas nicht passt, geht die Aufsicht wie immer vor: „Dann prüfen wir das.“ Diesen Fragen und mehr möchte ich in diesem Artikel nachgehen. Denn die Zeit drängt und nur wer jetzt richtig vorbe­reitet ist, wird die 7. MaRisk-Novelle zeitnah umsetzen können – und vielleicht sogar einen Vorteil daraus ziehen.

Vorgaben, Richt­linien, Pflichten – alles Heraus­for­de­rungen für Ihr Institut

Mit Blick auf den frühen Start­termin im Januar 2023 ist es kaum verwun­derlich, dass die internen Abläufe vielerorts noch gar nicht so klar gezogen sind, wie sie für eine reibungslose Umsetzung der MaRisk-Vorgaben sein müssten. Immerhin müssen die Institute mittler­weile ganz funda­mental nach dem inein­an­der­grei­fenden Dreiklang aus den EBA-Richt­linien, den MaRisk-Richt­linien und den Anfor­de­rungen aus dem SREP-Bewer­tungs­prozess tanzen.

Das Ergebnis aus dieser Kombi­nation an Vorgaben und Richt­linien: Die Institute werden noch stärker auch auf Basis der Tragfä­higkeit einzelner Geschäfte beurteilt – und nicht nur über das Gesamt­risiko. Das wirkt sich auch insti­tuts­intern auf die Prozesse aus, was wiederum Auswir­kungen auf das Kunden­ge­spräch mit Unter­nehmern hat. Sie sehen: Die Regelungen haben einen Einfluss auf das gesamte Geschäft, weshalb die Institute gut daran tun, sich mit all diesen Punkten zu beschäf­tigen. Wer da schon relativ weit ist, merkt, dass jetzt im Kredit­prozess noch deutlich mehr Dinge getan werden müssen, zum Beispiel das Einholen von detail­lierten Reportings vom Unter­neh­mer­kunden. Doch für die Institute, die bei dieser Entwicklung noch ganz am Anfang stehen, können die Verän­de­rungen so umfang­reich sein, dass sie schon fast einem (erzwun­genen) Kultur­wandel gleichkommen.

Kurz und knapp: Ich rate Ihnen dringend, sich mit den nachfol­genden Punkten deutlich inten­siver zu beschäf­tigen, als Sie es vielleicht bislang getan haben – sowohl fachlich als auch inhaltlich und insbe­sondere in Bezug auf die Gesprächs­führung mit dem Kunden. Und vergessen Sie nicht: Wie bereits angekündigt werden die Richt­linien zukünftig nicht nur das Firmen­kun­den­ge­schäft betreffen, sondern auch das Immobiliengeschäft. 

Zusam­men­ge­fasst werden folgende Punkte wichtige Themen­felder für die Zukunft der Beratung von Familien­unternehmen (und nachge­lagert natürlich auch der Unter­nehmer selbst) sein:

  • Geschäfts­modell der Firma des Unter­nehmers (heute, morgen, übermorgen) 
  • Digita­li­sie­rungsgrad des Unter­nehmens (heute, morgen, übermorgen) 
  • ESG – vorrangig das Thema Nachhal­tigkeit 
  • Businessplan der Firma
  • Kapital­dienst­fä­higkeit (KDF)

All diese Punkte können mitunter drastische Auswir­kungen auf das Rating des Kunden haben – und damit auf die Kredit­vergabe und indirekt auch auf die Gesprächs­führung mit dem Kunden.

Zum Geschäfts­modell

Wer das Versteher-Magazin regel­mäßig liest, weiß: Ich bin ein echter Fan von Geschäfts­mo­dellen. Und das nicht nur, weil ich das Thema inter­essant finde, sondern auch, weil die Ausein­an­der­setzung damit für die Arbeit mit Unter­nehmern immer schon essen­ziell war. Mit den neuen MaRisk-Regeln wird das nun sogar gesetzlich verankert. Besonders wichtig: Ein einfaches „Das Unter­nehmen baut Garagentore – die Cashflows passen und wir haben über Immobilien ausrei­chend Sicher­heiten = passt!“ reicht bei Weitem nicht mehr. Es liegt nun an Ihnen, sich detail­liert mit dem Thema ausein­an­der­zu­setzen und das Unter­nehmen nicht nur oberflächlich zu beschreiben, sondern eine sinnvolle Inter­pre­tation des Geschäfts­mo­dells im Großen und Ganzen zu entwickeln.

Den Digita­li­sie­rungsgrad analysieren

Auch mit diesem Thema haben wir uns im Versteher-Magazin schon oft beschäftigt – alles Wichtige dazu finden Sie zum Beispiel auf unserer spezi­ellen Infoseite zur Digita­li­sierung. Denn auch hier ist es an den Beratern und Bearbeitern (Markt­folge Aktiv), noch tiefer einzu­steigen und die Digita­li­sierung beim Unter­nehmer in einen entspre­chenden Kontext zu stellen. Die wichtigsten Begriffe habe ich Ihnen hier schon einmal zusammengefasst:

Die „environ­mental, social, and corporate gover­nance“ (ESG)

Auch zu diesem Thema finden Sie viel nützliches Wissen und konkrete Handlungs­emp­feh­lungen im Versteher-Magazin in der Kategorie ESG und Nachhal­tigkeit. Hier ist es umso wichtiger, sich nicht nur tiefer in die Materie einzu­ar­beiten, sondern sie auch aus Unter­neh­mer­sicht zu betrachten: Was ist überhaupt umsetzbar? Sonst gehen Sie das Risiko ein, dass Sie am Ende alle Buzzwords kennen, aber keine Ideen für praktische Maßnahmen für den spezi­fi­schen Fall des Unter­neh­mer­kundens haben. Ich frage mein Gegenüber gern nach dem Unter­schied zwischen „Wetter und Klima“ – Sie glauben gar nicht, wie oft ich da ein Schul­ter­zucken als Antwort bekomme. Dabei ist das zumindest in 5 Sekunden googelbar. Also zumindest im Groben sollten Berater und Markt­folge sich damit auskennen, was ESG und insbe­sondere Nachhal­tigkeit bedeuten.

Business­pläne verstehen

Es liegt in Zukunft an Ihnen, den Businessplan des Unter­nehmers entge­gen­zu­nehmen, ihn inhaltlich zu verstehen und sicher auf Plausi­bi­lität zu prüfen. Wichtig ist an dieser Stelle vor allem, dass Sie auch die drei obigen Punkte – Geschäfts­modell, Digita­li­sierung und ESG – in Bezug auf das konkrete Unter­nehmen verstehen. Denn diese drei Punkte sind funda­mental, um die Plausi­bi­lität des Ihnen vorge­legten Business­plans überhaupt prüfen zu können.

Die Kapital­dienst­fä­higkeit (KDF)

Erst wenn Sie die vorhe­rigen vier Punkte vollständig verstanden haben, geht es daran, über die KDF in den Kredit­ver­ga­be­prozess überzu­gehen. Denn die Kredit­dienst­fä­higkeit ist nur dann wirklich aussa­ge­kräftig, wenn diese Punkte sowohl vom Berater als auch vom Bearbeiter (Markt­folge Aktiv) verstanden werden.

Vom „Überbringer schlechter Nachrichten“ zum „Problem­löser und Lösungsanbieter“

Wie bei allen Geset­zes­texten besteht auch im Dreiklang aus MaRisk, EBA und SREP immer das Risiko, dass man sich zum reinen Erfül­lungs­ge­hilfen von BaFin und Staat macht. Eventuell arbeiten Sie alle diese Themen ab und am Ende sprechen Sie mit dem Unter­nehmer darüber und es stellt sich heraus, dass er die Vorgaben gar nicht erfüllen kann – oder zumindest nicht in dem Maße, das die Aufsicht erwartet. Und einen Kredit können Sie ihm dann trotz Beratung gar nicht anbieten.

Das ist, als würden Sie zu Ihrem Hausarzt gehen und der sagt Ihnen: „Wenn Sie nicht in kürzester Zeit Ihre Ernährung umstellen und mehr Sport treiben, dann werden Sie sterben!“ Schließlich kommt der Arzt hier nur seiner medizi­ni­schen Infor­ma­ti­ons­pflicht nach, damit ihn hinterher nicht die Ärzte­kammer rügt. Eine reine Eigen­schutz-Maßnahme. Wenn der Hausarzt dem Patienten jetzt noch sagen kann, wie er diesen medizi­ni­schen Rat befolgen kann (Ernäh­rungs­be­ratung, Personal Training etc.), dann ist er ein echter Arzt – sagt er hingegen nur „Keine Ahnung, wie Sie das machen, ist ja nicht mein Problem“, dann ist er lediglich Erfül­lungs­ge­hilfe seiner gesetz­lichen Pflichten und wird beim Patienten schnell als Überbringer schlechter Nachrichten angesehen. Übersetzt wäre das so, als wenn Sie mit dem Unter­nehmer über die Nachhal­tigkeit seiner Produktion sprechen, feststellen, dass es da Optimie­rungs­bedarf gibt, aber dann auf die Frage „Und wo soll ich die Maschinen herbe­kommen, die das schon erfüllen?“ nur sagen (überspitzt formu­liert): „Sorry, nicht mein Problem! Ich sage ja nur, dass Sie ohne die neuen Maschinen den Kredit nur sehr teuer oder gar nicht bekommen.“ 

Jetzt frage ich Sie: Welche Art von Arzt möchten Sie sein? Was passt eher zu Ihrem Finanz­in­stitut? Schauen Sie doch noch mal in Ihren Auftrag als Finanz­in­stitut – da steht sicher, dass Sie die Wirtschaft in Ihrem Geschäfts­gebiet (oder Ihre Mitglieder etc.) mit finan­zi­ellen Mitteln zu versorgen haben – tun Sie das dann wirklich, wenn Sie dem Unter­nehmer nur sagen „Schade, Kriterien nicht erfüllt, also gibt es keinen Kredit“?

Was wird aus dem Mensch zu Mensch unter dem Eindruck der Regularien?

Ich habe schon oft im Versteher-Magazin sowie in meinen Seminaren und Workshops argumen­tiert, dass zu viel Segmen­tierung und Standar­di­sierung einen negativen Effekt auf den Kunden haben kann. Da die Entwick­lungen der letzten Zeit alle in diese Richtung gegangen sind, sind auch die entspre­chenden Auswir­kungen schon zu spüren, vor allem im Privat­kun­den­ge­schäft, aber auch in der Beratung von „kleineren“ Unternehmen.

Wenn die Vorgaben nun weiter standar­di­siert werden, fürchte ich, dass dieser Effekt auch das gehobene Indivi­du­al­ge­schäft treffen kann – Sie laufen als Institut Gefahr, die Bindung zum Unter­nehmer zu verlieren, wie es bei Privat­kunden eventuell schon der Fall ist. Hier sehe ich ein echtes Risiko für das effektive Mensch zu Mensch (MzM) im Kontakt mit dem wichtigen Unternehmerkundensegment.

Exkurs: Der Blick­winkel des Unternehmers

Ich betone ja häufig, dass es wichtig ist, zu verstehen, wie der Unter­nehmer tickt. Mit Blick auf die neuen Regularien schauen wir uns also auch mal an, wie der typische Unter­nehmer eigentlich Entschei­dungen trifft:

Stellen wir uns einen Unter­nehmer vor, der ein Produk­ti­ons­un­ter­nehmen leitet. Er hat heute die Erkenntnis, dass die Themen Digita­li­sierung und Nachhal­tigkeit in seiner Firma einen höheren Stellenwert einnehmen sollten. Und er hat das Verständnis für diese beiden Themen. Denn wohlge­merkt: Unter­nehmer haben oft kein Erkennt­nis­problem – sie haben Schwie­rig­keiten mit der Umsetzung. Woher kommt das Material, wer kennt sich mit ESG aus …? Und passen überhaupt die Rahmen­be­din­gungen – lässt sich die Firma digital nachrüsten oder sollte man dann besser gleich neu bauen?

Der Unter­nehmer überlegt zunächst für sich selbst, wie man das umsetzen könnte. Dann ruft er seine persön­lichen Zuarbeiter und engsten Vertrauten zu sich – das sind in der Regel sein kaufmän­ni­scher Leiter und sein Produk­ti­onschef. Der Vertriebschef kommt zu diesem Zeitpunkt noch nicht dazu – denn zunächst müssen Unter­nehmer, kaufmän­ni­scher Leiter und Produk­ti­onschef zu dritt berat­schlagen, welche Inves­ti­tionen und Umbauten im Produk­ti­ons­ablauf überhaupt sinnvoll (und machbar) wären.

Zunächst arbeitet also der Produk­ti­onschef mit seinen Vertrauten durch, was die vorher disku­tierten Verän­de­rungen für Auswir­kungen auf die Produktion hätten – auf das Material, die Maschinen, den Rohstoff­einkauf etc. Das kann Monate dauern, denn viele der nun aufge­wor­fenen Fragen sind für das Produkt funda­mental – zum Beispiel, ob man von Echtholz auf schnell nachwach­senden Bambus als Produk­ti­ons­ma­terial wechseln kann. Welche Auswir­kungen hätte das auf das Produkt?

Ist die Produk­ti­ons­seite nun geklärt, treffen sich alle drei wieder und besprechen die Erkennt­nisse. Dann kalku­liert der kaufmän­nische Leiter alles durch: Wie ändern sich zum Beispiel die Produk­ti­ons­kosten, wenn jetzt Bambus verwendet wird – der wird ja wahrscheinlich nur mit langen Trans­port­wegen beschaffbar sein.

Erst wenn der kaufmän­nische Leiter alles durch­ge­rechnet und für umsetzbar befunden hat und sich alle drei einig sind, dass die Änderungen umsetzbar und sinnvoll sind – erst dann kommt der Vertriebschef mit dazu. Seine Aufgabe ist es nun, zu prüfen, ob beispiels­weise die Kunden am Markt überhaupt ein Produkt aus Bambus kaufen würden – vor allem, wenn die Konkurrenz noch Echtholz verwendet. Welchen Preis würden die Kunden dafür als gerecht­fertigt empfinden? Natürlich alles streng geheim, denn man möchte ja nicht, dass ein eventu­eller Wettbe­werbs­vorteil durch den Umstieg einfach verpufft.

Das alles passiert, bevor es überhaupt in die konkrete Planung geht, geschweige denn in die Umsetzung. Denn erst, wenn auch der Vertriebschef zu einem positiven Ergebnis kommt, erst dann beginnen die Räder, sich zu bewegen: Der Produk­ti­onschef koordi­niert sich mit dem Materi­al­einkauf und dem Maschi­nen­ma­nager, der Vertriebschef holt die ersten Absichts­be­kun­dungen der Kunden ein etc. Ist dann irgendwann absehbar, wie lange all das dauern wird, wie viele Kunden das neue Bambus-Produkt kaufen werden etc., dann fängt der kaufmän­nische Leiter an, zu budgetieren.

All das kann mehrere Monate, wenn nicht sogar Jahre dauern. Und dann geht man zur Bank für den Kredit. Jetzt stellen Sie sich vor, Sie gehen als Unter­nehmer mit einem mehrere Monate durch­ex­er­zierten Plan zur Bank und Sie müssen dem Berater zunächst noch mal erklären, welche Produkte Sie überhaupt herstellen, wer die kauft und was die Umstellung auf Bambus nun dafür bedeuten würde. Sie sehen: An dieser Stelle sollten Sie als Berater bereits ausrei­chend Wissen aus den oben aufge­zählten 5 Punkten und den aktuellen Anfor­de­rungen der Finanz­auf­sicht mitbringen, um direkt einsteigen zu können, einen Zeitplan zu erstellen und eine Entscheidung zu treffen: Finan­zieren wir das? Sonst sind Sie für den Unter­nehmer eher der „Geschäfts­ver­hin­derer“, der alle Planungen durcheinanderwirft.

Heraus­for­de­rungen auf der opera­tiven Seite

Die gesetz­lichen Regularien stellen Sie und Ihr Institut also vor die Heraus­for­derung, dass Sie Ihre Kunden noch detail­lierter kennen müssen, um wirklich effektiv Ihre Finanz­dienste anzubieten. Das stellt Sie auf verschie­densten Ebenen auf die Probe, vom Vorstand bis zum Risiko­ma­nagement (Kreditbuch) und vom Firmen­kun­den­be­rater bis hin zur Markt­folge Aktiv.

Weitere Infor­ma­tionen zum Thema Markt­folge Aktiv der Zukunft finden Sie hier:

Markt­folge Aktiv eBook

Artikel Firmen­kun­den­be­rater und Markt­folge Aktiv

Der Versteher-Podcast

Kategorie Markt­folge Aktiv des Versteher-Magazins

Wenn wir uns über diese strate­gi­schen Anfor­de­rungen klar sind, dann können wir nun auf die operative Ebene gehen: Was bedeutet all das für das Tagesgeschäft?

Viele Institute nutzen Frage­bögen, um vor der Kredit­vergabe vom Unter­nehmer die durch die Regularien gefor­derten Infor­ma­tionen zu erhalten. Das sind dann aber häufig Bögen mit über 100 Fragen. Wer soll die denn beant­worten? Wer hat da denn sofort alle Infor­ma­tionen parat? Wer schafft es – nach dem mühsamen Zusam­men­suchen der Infor­ma­tionen –, am Ende wirklich, 100 % der Fragen „korrekt“ zu beant­worten? Welcher hypothe­tische Unter­nehmer könnte überhaupt 100 % der Fragen „korrekt“ ausfüllen?

Als Institut müssen Sie sich außerdem schon anstrengen, um einen Mehrwert aus diesen Frage­bögen zu ziehen, anstatt sich lediglich zum Erfül­lungs­ge­hilfen von Staat und Behörden zu machen – BASEL lässt grüßen. Das pendelt sich in der Regel mit der Zeit ein, auch wenn es zunächst wie ein großer Kultur­schock wirkt. 

An dieser Stelle möchte ich aber auch einen sehr positiven Effekt heraus­heben: Wenn der Unter­nehmer und Sie sich gut auf diese Themen vorbe­reiten und gemeinsam an Lösungen arbeiten, wird die auf den ersten Blick große Aufgabe der Umsetzung der Novelle zur größten Cross-Selling-Maschine aller Zeiten! Dann können Sie sogar einen Vorteil für Cross-Selling-Ansätze aus den umfang­reichen Infor­ma­tionen ziehen, die Sie vom Unter­nehmer erwarten – ähnlich wie Sie es sonst nur in der großen Kunden­kon­ferenz tun können.

Tipp:

Nutzen Sie die Gelegenheit, um im Institut Video-Betriebs­be­sich­ti­gungen bei den Unter­neh­mer­kunden zu etablieren. Da kann dann ein Berater die Besich­tigung persönlich mitmachen und auf Video aufzeichnen – das vermeidet den Stille-Post-Effekt, wenn er es z.B. nur schriftlich dokumen­tieren würde. Und es lässt nicht nur das Verständnis für das Unter­nehmen bei allen Betei­ligten steigen, sondern es stellt Sie auch gegenüber dem Unter­nehmer in ein gutes Licht. Was meinen Sie, wie stolz er sein wird, wenn Sie ihm erklären, dass nicht nur Sie als Berater, sondern auch Ihre Kollegen gerne den Betrieb sehen würden? Selbst­ver­ständlich sollten Sie dabei höchste Sicher­heits­vor­keh­rungen walten lassen: Dass man nichts filmt, was der Unter­nehmer nicht gefilmt haben will, versteht sich von selbst – dass der Unter­nehmer eine DSGVO-Erlaubnis unter­schreibt, ist jedoch ebenfalls ziemlich sicher. Und wenn Sie im Institut zum Beispiel ein bis zwei eigens für den Zweck der Video­auf­nahmen abgestellte Smart­phones oder Kameras anschaffen, dann macht das auch aus Sicht der Infor­ma­ti­ons­si­cherheit einen guten Eindruck beim Unternehmer.

Während Sie eventuell weitere Ertrags­po­ten­ziale ausmachen können, ändert sich die Situation für den Unter­nehmer unter den neuen Bedin­gungen so, dass er nun schwerer an Kredite kommt. Oder sogar gar nicht. Da kann es dann Situa­tionen geben, in denen ein Unter­nehmen jedes Jahr große Gewinne einfährt, man nun aber bestimmte, rein theore­tische Bedin­gungen nicht erfüllen kann. Und schon bekommt man den Kredit nicht mehr, den man früher vielleicht problemlos erhalten hätte, weil der Berater die Situation damals noch mit Augenmaß betrachtet hat. Und was ist eigentlich mit den Unter­nehmen, die nach den neuen Regularien nur noch „ok“ sind, aber auch nicht mehr? Wenn diese nun ausge­schlossen werden – also Kredite nicht nur mit höheren Zinsen erhalten, sondern gar nicht mehr –, was passiert dann?

Eine Heraus­for­derung, die ich in diesem Bereich sehe, ist diese: Was, wenn die strikten Voraus­set­zungen nach MaRisk & Co. nun dafür sorgen, dass nur noch die größten Konzerne Kredite erhalten können, weil alle anderen nicht die Vorgaben erfüllen können? Wir haben schließlich in Deutschland gar nicht so viele Unter­nehmen mit mehr als 10 Millionen Euro Umsatz oder mehr als 100 Mitar­beitern. Und was, wenn die kleineren Firmen pleite­gehen, weil sie nach BaFin-Vorgabe keine Kredite mehr bekommen (dürfen)? 

Was bedeutet das für die regio­nalen Struk­turen? Mit Sicherheit nicht, dass zahlreiche neue Start-ups hinter­her­kommen … Für Sie kann das jedoch Chancen auch über das Cross-Selling hinaus bedeuten. Denn Unter­nehmer werden sich immer weiter entwi­ckeln, das ist einfach ihre Persön­lich­keits­struktur. Und das bedeutet für Sie Poten­ziale in Krediten, Inves­ti­tionen, Käufen/Verkäufen – wenn Sie als Institut nur wissen, wo Sie suchen müssen.

Ein damit verwandtes Risiko, das meines Erachtens aus den neuen Risik­o­richt­linien hervorgeht, ist die Verknappung der Kredit­aus­legung. Als Institut geht man gerne davon aus, dass alle Kredit­enga­ge­ments ein durch­schnitt­liches Gesamt­rating haben. In der Regel gleichen die Ratings im gesamten Geschäfts­gebiet (also inkl. der Nicht-Kunden) eher einer Normalverteilung:

(Copyright: Gabler Wirtschaftslexikon)

Wir könnten also in eine Situation kommen, in der sich die Institute nur noch die Rosinen aus dem Kuchen picken. Es gäbe somit eine selbst herbei­ge­führte Verknappung der Kredit­aus­legung, da man ja nur die Top-Kunden haben möchte (oder aufgrund bishe­riger Risiko­stra­tegien sogar keinen anderen nehmen kann/darf). Doch wenn alle so vorgehen, werden diese Top-Kunden auf Dauer eine erheb­liche Kondi­tio­nen­macht bekommen, während die restlichen Unter­nehmen ausbluten. Jetzt stellen Sie sich vor, dass dazu noch die Bewertung nach den Punkten Digita­li­sierung und Nachhal­tigkeit dazukommt. 

Das bedeutet, nur bei: gutes Rating + gutes Geschäfts­modell + Digita­li­sierung + Nachhal­tigkeit + gute Marge = „Herzlich willkommen!“ 

Alle anderen gucken in die Röhre. Und Sie müssen sich eventuell mit allen Ihren Konkur­renten um die wenigen Kunden prügeln, die wirklich alle diese Themen abdecken. Als Krönung kommt noch dazu, dass die Institute quasi gezwungen werden, ihre Eigen­ka­pi­tal­basis entspre­chend anzupassen, vor allem für die Kredit­enga­ge­ments, bei denen einer dieser Themen­be­reiche Schwächen zeigt. Wenn dann der Kapital­markt alter­native Refinan­zie­rungs­formen oder die Fristen­trans­for­mation zulässt, was wird dann aus der regio­nalen Wirtschaftsleistung?

Wie tief geht man ins Thema?

Nach meiner Erfahrung ist es für Finanz­in­stitute manchmal schwer, im Vorhinein festzu­legen, wie tief die Mitar­beiter in ein bestimmtes Thema eintauchen sollen. Wie gut muss man sich wirklich z.B. mit Nachhal­tigkeit auskennen, um den Einfluss des Themas auf die Unter­neh­mer­kunden zu verstehen? Mal platt ausge­drückt: Muss ich detail­liert wissen, wie die Schalt­kreise einer Fotovol­ta­ik­anlage funktio­nieren, um zu verstehen, dass sie eine gute/schlechte Inves­tition für meinen Unter­neh­mer­kunden darstellt? Immerhin haben Firmen­kun­den­be­rater oft rund 80 Verbünde, die sich über 30 bis 50 Branchen erstrecken. Können Sie da überhaupt überall voll in der Materie stecken? Oder reicht es nicht aus, so weit drin zu sein, dass man nicht plötzlich unvor­be­reitet im Regen steht, wenn der Unter­nehmer schließlich sagt: „Top, machen wir so!“ Nicht dass Sie sich so verhalten wie der Arzt aus dem Beispiel oben.

Zusätzlich stellt sich die Frage, wie tief man in den Kredit selbst eintaucht – immerhin sind eben auch die öffent­lichen Förder­mittel meist nur Kredite. Mit anderen Worten: Alles, was man mit dem Kunden bespricht, hat wiederum Auswir­kungen auf seine Abläufe, Prozesse, Struk­turen etc. Wollen/sollen die Institute auch diese Auswir­kungen prüfen und bewerten, um diese Infor­ma­tionen wiederum ins Rating einfließen zu lassen? Das wäre praktisch nicht umzusetzen und würde uns wieder an den Punkt führen, an dem wir gestartet sind: Plausi­bi­li­täts­checks und dem Kunden einfach mal auch ohne Nachweis glauben (Kredit kommt ja bekanntlich von „credere“ = „vertrauen“). Auch hier hilft wieder eine Betriebs­be­sich­tigung, gerne auch mit Video­auf­zeichnung wie oben beschrieben.

Tipp:

Schnappen Sie sich ruhig auch mal einen Unter­nehmer aus Ihrem Kunden­port­folio, der all diese Themen schon gut umsetzt. Und dann fragen Sie bei ihm nach, ob Sie mit mehreren Mitar­bei­te­rinnen und Mitar­beitern aus dem Institut in den Betrieb schauen können – in größerem Umfang als bei einer Betriebs­be­sich­tigung. Also zum Beispiel in der Produktion, im Vertrieb, in der Verwaltung/Buchhaltung, Dispo­sition etc. auch mal länger bleiben und die Prozesse mit nachvoll­ziehen. In der Regel finden Unter­nehmer diese Idee richtig gut und Sie können daraus fürs eigene Institut lernen und zum Beispiel die beobach­teten Abläufe für sich adaptieren.

Gesetz­liche Vorgaben zu Chancen machen

Im Zuge der 7. Novel­lierung der MaRisk-Vorgaben und unter dem Eindruck von EBA, SREP und Co. ist es nun für die Institute noch wichtiger als bislang, sich noch tiefer gehend mit den Unter­neh­mer­kunden zu beschäf­tigen. Dazu sollten Sie sich insbe­sondere folgende Fragen stellen:

  • Wie tief sollten wir uns in ein Thema einarbeiten? 
  • Wie generieren wir damit Erträge? 
  • Wie führen wir unter diesen Voraus­set­zungen Gespräche mit Unternehmerkunden? 

Auf den ersten Blick mag die Flut an Regularien erschlagend, ermüdend und vielleicht sogar geschäfts­ver­hin­dernd wirken. Doch ich bin der Überzeugung, dass Sie die nun notwendig gewordene tiefer gehende Beschäf­tigung mit dem Kunden nutzen können, um große Ertrags­po­ten­ziale zu entdecken. Und dabei geht es nicht nur um völlig neue Erträge, sondern auch um Poten­ziale, die vielleicht schon immer bestanden, die man aber noch nicht entdeckt hatte. Es ist also an der Zeit, die neuen MaRisk-Richt­linien auch als Chance zu begreifen!

Und nutzen Sie auch Mittel wie die Videobe­ratung, um das immer knapper werdende Gut der Zeit sinnvoll einzu­setzen. Natürlich nicht für alle Gespräche – doch für viele wäre es bereits möglich, die digitale Gesprächs­führung einzu­führen. Und wenn Sie nicht mehr für jedes Gespräch mit dem Auto anreisen müssen, dann spart das viel Zeit und Energie – was wiederum im Sinne der Nachhal­tigkeit ist. Wer sich noch umfäng­licher mit diesem Thema beschäf­tigen möchte – und generell mit den Möglich­keiten, die der Finanz­be­ratung unter dem Eindruck der neuesten Regularien eröffnet werden –, dem empfehle ich einen Blick auf meinen zu diesem Thema maßge­schnei­derten Workshop.

Zu guter Letzt noch ein Hinweis: Auch Berater/-innen aus den Bereichen Versi­che­rungen Sachkom­posit und Private Banking sollten im Groben wissen, welche Auswir­kungen die gesetz­lichen Regelungen im Kredit­be­reich haben. Und bitte beachten Sie in Ihrer Gesprächs­führung: Sie treffen auf Unter­nehmer, die im Thema sind und genau wissen, dass bestimmte Anlage­formen eben nicht wirklich „green“ sein können.

Ich wünsche Ihnen auf jeden Fall schon einmal, dass Sie die neuen Vorgaben und Regularien als Chancen erkennen und ein gesundes Gleich­ge­wicht aus gesetzlich vorge­schrie­bener Mehrarbeit und zusätz­lichen Erträgen daraus ziehen können.

Kontakt

Dirk Wiebusch
info@ifuf.de

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