Viele Finanz­in­stitute setzen Verwah­rent­gelte bereits im einge­schränkten Rahmen ein, um die Mehrkosten abzufangen, die durch die negative Einla­ge­fa­zi­lität der EZB anfallen. Im ersten Teil dieser Artikel­serie hatte ich deshalb bereits skizziert, warum man als Institut in naher Zukunft nicht um Verwah­rent­gelte herum kommen wird und aus welchem Blick­winkel sich Familien­unternehmer der Situation nähern. Heute gehe ich darauf ein, wie man in prakti­scher und strate­gi­scher Hinsicht die Einführung des Verwah­rent­gelts gegenüber Ihren Kunden erklärt. Denn Familien­unternehmer werden diese vermeintlich unnötigen Zusatz­kosten immer negativ aufnehmen.

Wie würde ein Unter­nehmer den Einla­gezins ausgleichen?

Auch wenn Familien­unternehmer in der Regel wenig Verständnis für die Einführung von „Straf­zinsen“ mitbringen – die Situation der Finanz­dienst­leister ist an dieser Stelle der Situation eines Unter­nehmens nicht unähnlich. Denn auch Unter­nehmen müssen Mehrkosten, auf die sie keinen direkten Einfluss haben, irgendwie ausgleichen. Die Situation in den Insti­tuten gestaltet sich also ähnlich wie bei einem Produk­ti­ons­un­ter­nehmen, bei dem es zu einer unvor­her­ge­se­henen Einkaufs­preis­er­höhung kommt. Hier gibt es 5 unter­schied­liche Möglich­keiten, die Kosten zu decken:

  • Einkauf neu verhandeln
  • Interne Prozesse verschlanken
  • Kosten durch zusätz­liche Erträge beim Kunden auffangen
  • Produkt einstellen
  • Mehrkosten auf Produkt­kosten übertragen und Produkt teurer machen

Die erste Handhabe, die Produk­ti­ons­un­ter­nehmen in einer solchen Situation haben, ist die Neuver­handlung des Einkaufs. Das Unter­nehmen würde also versuchen, die Kondi­tionen neu auszu­handeln – oder sogar komplett den Zulie­ferer zu wechseln. Finanz­in­stitute haben in dieser Hinsicht jedoch keinerlei Spielraum, denn Ihr „Lieferant“ ist die Europäische Zentralbank.

Die Kosten durch schlankere Prozesse und interne Einspa­rungen aufzu­fangen, würde besten­falls schwierig werden. Schließlich sind die internen Prozesse in der jüngsten Vergan­genheit bereits stark verschlankt worden. Bei der Verschlankung der Prozesse gilt also: Hier lässt sich mittler­weile nur noch wenig herausholen.

Zusätz­liche Erträge werden schon seit Jahren hände­ringend gesucht, doch auch hier kommen viele Institute an ihre Beratungs­grenzen. Sei es durch fehlende Produkte oder voll ertrags­er­schlossene Kunden – oder es mangelt schlicht am Zusam­men­spiel der Vertriebs­ein­heiten (bei diesem Thema ist es das Tandem Firmen­kun­den­be­rater und Private Banker).

Das Produkt einzu­stellen ist für Finanz­in­stitute zu guter Letzt ebenfalls keine Option, denn das würde bedeuten, dass die Banken überhaupt keine Einla­ge­mög­lich­keiten mehr anbieten könnten (von recht­lichen Hinder­nissen mal abgesehen). Die Unter­nehmer vertrauen jedoch auf dieses Angebot: Natürlich könnten sie das Geld auch inves­tieren, doch kein Familien­unternehmer wird jemals darauf verzichten, zumindest einen Teil seines Geldes einzu­lagern. In vielen Fällen haben sie schmerzhaft erfahren müssen, was es bedeutet, im Notfall nicht durch liquides Vermögen abgesi­chert zu sein. Oder aber sie wollen „jederzeit bei einem Schnäppchen zuschlagen können, ohne jemanden fragen zu müssen.“

Verwah­rentgelt – die einzige Lösung

Langfristig geht also kein Weg um das Abwälzen der Mehrkosten auf die Produkt­kosten herum. Im Finanz­be­reich bedeutet das: Verwah­rentgelt. Davon, dass es zu kartell­ähn­lichen Absprachen kommt, gehe ich nicht aus. Anders als bei BASEL, als alle Institute schnell ähnliche oder sogar identische Vorge­hens­weisen aufbauten, die die Kunden zu akzep­tieren hatten, kann in diesem Fall davon ausge­gangen werden, dass in Kürze alle Institute aufgrund der Notwen­digkeit umfassend auf diese Methode zurück­greifen werden (müssen). Das wird nicht gleich­zeitig geschehen und nicht im selben Maß. Doch es wird einen Schul­ter­schluss geben – denn wer aktuelle oder neu hinzu­ge­kommene Einlagen nicht in Margen­ge­schäften veredelt, der verliert große Summen, die zur Zeit beispiels­weise auch in den Bereichen Digita­li­sierung, Prozess­an­pas­sungen und Eigen­ka­pi­tal­stärkung gebraucht werden.

Wie man die schlechte Nachricht überbringt

In vielen Insti­tuten wird das Verwah­rentgelt einge­führt oder die aktuellen Volumina, bei denen es zum Zuge kommt, gesenkt werden. Und das bedeutet schwere Gespräche mit den Kunden. Denn diese werden die neuen Kosten nicht einfach so hinnehmen. Für die Institute ist es also wichtig, eine passende Strategie für diese Gespräche zu entwi­ckeln. Die Heran­ge­hens­weise wird dabei idealer­weise auf den jewei­ligen Kunden abgestimmt, doch einige generelle Punkte bleiben immer gleich:

  • Setzen Sie auf jeden Fall ein Einzel­ge­spräch für das Thema „Verwah­rentgelt“ an – denn würden noch weitere Themen besprochen, könnte beim Kunden der Eindruck entstehen, man nehme die Thematik nicht ernst genug.  Und wenn die Stimmung kippt (was passieren kann), wären die anderen Themen schnell verbrannt.
  • Das Gespräch sollte vom Firmen­kun­den­be­rater, dessen Vorge­setzten oder sogar vom Vorstand geführt werden – je nach Kunde, Kompetenz und Beziehung. Auf keinen Fall sollte es der Private Banking Berater ansprechen, denn dieser kennt den Kunden ggf. noch gar nicht oder zumindest nicht gut genug – und soll ihm in naher Zukunft noch Produkte verkaufen, wodurch die Situation schnell wie Erpressung wirken kann. Auch verschwimmen so aus Sicht des Kunden die Grenzen zwischen Firmen­kunden Banking und Private Banking und gerade in den ersten Gesprächen ist es elementar wichtig, dass der Unter­nehmer spürt: Für alle Angele­gen­heiten der Firma ist der Firmen­kun­den­be­rater zuständig und für alles Private der Private Banking Berater.
  • Gerade der Überbringer der Nachricht zum Verwah­rentgelt im Privat­ver­mögen benötigt Finger­spit­zen­gefühl und eine Top-Vorbe­reitung. Hier ist das Zusam­men­spiel zwischen Firmen­kun­den­be­rater und Private Banking Berater (gemeinsame Vorbe­reitung, Gesprächs­führung und Nachbe­reitung) elementar wichtig. Das gilt auch wenn der Private Banking Berater den Kunden schon persönlich kennt.
  • Setzen Sie nicht mehr als 15 bis 20 Minuten für das Gespräch an – eine längere Diskussion ist nicht zielführend, da die zusätz­lichen Minuten an der Situation nichts ändern werden.
  • Bereiten Sie sich vor! Arbeiten Sie das Geschäfts­modell durch und beachten Sie das Umfeld sowie die Typologie des Unter­nehmers. In internen Vorbe­rei­tungs­ge­sprächen können Sie die Sicht des Unter­nehmers nachvoll­ziehen und sich Argumente und gegebe­nen­falls sogar einen konkreten Wortlaut zurechtlegen.
  • Denken Sie im Vorfeld über die Kompen­sation mit anderen Deckungs­bei­trägen bezie­hungs­weise die Schaffung neuer Deckungs­bei­träge nach. Je nach Kunde können Sie diese während des Gesprächs oder direkt im Anschluss an das Gespräch als Lösung anbieten. Doch auch hier gilt es, sehr vorsichtig damit umzugehen: Es kann sehr schnell wie Erpressung aussehen – erst recht, wenn es um das Privat­ver­mögen geht.

Behalten Sie dabei eines immer im Auge: Der Unter­nehmer will das Verwah­rentgelt nicht – seine Reaktion auf dieses Gespräch wird also niemals vollständig positiv sein. Vermeiden Sie also Sätze wie „Das werden alle Institute machen müssen“ oder „das müssen Sie verstehen, wir müssen das tun“ – denn dem Unter­nehmer sind Ihre Beweg­gründe erst einmal egal. Für Ihn zählt nur, dass er plötzlich für etwas zahlen muss, für das er bislang – zumindest früher – noch Geld erhielt. Gerade im Bereich Privat­ver­mögen wird es schwere Gespräche über „Straf­zinsen“ geben, da der Unter­nehmer ja nichts falsch gemacht hat – im Gegenteil.

Sie können in solchen Gesprächen letztlich nur Schadens­be­grenzung betreiben. Eine hervor­ra­gende Vorbe­reitung hilft jedoch, die Wahrschein­lichkeit zu erhöhen, dass der Unter­nehmer das Verwah­rentgelt akzep­tiert und sich nicht von Ihrem Institut abwendet. Die nötigen Strategien zur Vorbe­reitung übe ich gerne mit Ihnen und Ihren Mitar­beitern in maßge­schnei­derten Tages­work­shops (nur Firmen­kun­den­be­rater oder Tandems Firmen­kun­den­be­rater mit Private Banking Berater), bei denen auch anhand realer Praxis­bei­spiele die Durch­führung der Gespräche trainiert wird.

Was, wenn der Kunde verärgert ist?

Es wird auch Kunden geben, welche die neuen Kosten nicht akzep­tieren werden. Dann wird mögli­cher­weise das Geld abgezogen – und kommt dann auch nie wieder, denn der Kunde ist nun verärgert und will womöglich mit Ihrem Institut nichts mehr zu tun haben. Das sorgt zwar dafür, dass Sie sich die Einla­ge­kosten sparen, doch die Erträge des Kunden verfallen ebenso – und gehen mögli­cher­weise an einen Konkur­renten. Einige Familien­unternehmer ziehen ihr Geld auch ab und nutzen es einfach zur weiteren Entschuldung oder zur Inves­tition ohne Hilfe einer Bank.

Eine hervor­ra­gende Vorbe­reitung kann das Risiko dieser Situation drastisch verringern. Denn wer weiß, wie mit dem Kunden in dieser schwie­rigen Situation geredet werden kann (und auch bereits ein gewisses Ansehen beim Kunden genießt), der schafft es, die Wogen zu glätten. Und wenn der Zustand mit den Verwah­rent­gelten erst einmal einige Jahre anhält, wird er vom Kunden auch irgendwann als neuer Status Quo akzeptiert.

Die Zeichen der Zeit

Derzeit erheben viele Institute ein Verwah­rentgelt erst ab Einla­ge­vo­lumen von über 500.000 Euro. Doch wie bereits angerissen, gehe ich davon aus, dass dieser Zustand nicht lange andauern wird. Vielmehr wird es eine schritt­weise Entwicklung geben:

  1. Unter­nehmen mit größerem Einlagevolumen
  2. Privat­kunden mit größeren Einlagevolumen
  3. Unter­nehmen ohne Mindest-Einlagevolumen
  4. Privat­kunden ohne Mindest-Einlagevolumen

Selbst, wenn mit allen Kunden erfolg­reich die schwie­rigen Gespräche zum Verwah­rentgelt geführt worden sind, wird das Thema für Finanz­dienst­leister zusätz­liche Fragen aufwerfen: Wird durch den dadurch angeheizten Immobi­li­en­markt eine erneute Finanz­blase entstehen? Und was wird geschehen, falls die Unter­nehmer die neuen Verträge zum Verwah­rentgelt einfach nicht unter­zeichnen? All diese Fragen werden mit der Zeit beant­wortet werden müssen.

Aktuell ist besonders wichtig, dass Sie Ihren Kunden das Konzept des Verwah­rent­gelts näher bringen können. In dieser zweitei­ligen Artikel­serie habe ich Ihnen bereits einige Werkzeuge dafür in die Hand gelegt und unter­stütze Sie auch gerne im Rahmen eines 1‑Tages-Workshops. Sprechen Sie mich einfach an und wir finden gemeinsam Wege, wie Ihr Institut zielführend und ohne größeren Eklat das Verwah­rentgelt bei Ihren spezi­fi­schen Kunden etablieren kann. Denn besonders heraus­for­dernde Situa­tionen wie diese bieten gleich­zeitig eine einzig­artige Gelegenheit, sich bei Familien­unternehmen und Unternehmer­familien als Top-Gesprächs­partner von Mensch zu Mensch zu positio­nieren. Denn wie sagt man? „Schwere Zeiten sind gute Zeiten für gute Berater!“

Kontakt

Dirk Wiebusch
info@ifuf.de

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