Wenn Sie in den vergan­genen Wochen aufmerksam die Nachrichten verfolgt haben, dann wird ihnen vielleicht eine kleine kuriose Geschichte aus den USA aufge­fallen sein. Dort stecken aktuell ca. 13.000 Autos von Volks­wagen in den Häfen fest. Der Grund: Ein unschein­bares kleines Elektronik-Teil, das ohne Wissen des VW-Konzerns aus West-China bezogen wurde. Und das verstößt gegen die im US-Recht vorge­se­henen Auflagen zur Verhin­derung von Zwangs­arbeit in den Uiguren-Regionen Chinas. Es zeigt sich einmal mehr: ESG und Nachhal­tigkeit sind längst eine Notwen­digkeit – und für manches (Familien-)Unternehmen ein echter Gamechanger.

Warum auch Ihre mittel­stän­di­schen Unter­neh­mer­kunden betroffen sind

Als Finanz­dienst­leister kennen Sie den Druck, ESG (Environ­mental Social Gover­nance) und Nachhal­tigkeit in Ihre Prozesse einfließen zu lassen. MARISK-Novelle, EBA-Guide­lines, ESG-Ratings und Co. erwarten von Ihnen ohnehin, dass Sie Ihre Kunden auf diese Themen ansprechen. Das ist zwar alles noch nicht wirklich kredit­re­levant, aber das ESG-Rating Ihrer Kunden wird über kurz oder lang auch Auswir­kungen auf das Kredit­enga­gement haben. Das kann bis zur Ablehnung des Kredits führen, weil der Unter­nehmer beispiels­weise bestimmte sog. KPIs (Key Perfor­mance Indicators, dt. Schlüs­sel­kenn­zahlen) nicht erfüllen kann oder Ihr Institut bereits zu viele Kredite in der entspre­chenden ESG-Klasse hat.

An dieser Stelle wird vielleicht so mancher Finanz­dienst­leister fragen: „Sind ESG und Nachhal­tigkeit nicht nur was für die großen Weltkon­zerne?“ Und das scheint auch zunächst naheliegend, immerhin haben wir in Deutschland bei 3,45 Millionen Unter­nehmen lediglich 20.000, die einen Umsatz von mehr als 50 Millionen Euro erwirt­schaften – und davon sind ein wesent­licher Teil direkte „Töchter“ von Großkon­zernen, also definitiv kein Familien­unternehmen. Die meisten deutschen Unter­nehmen, und damit ein Großteil Ihrer Firmen­kunden, sind also keine dominie­renden Konzerne auf dem Weltmarkt. Doch von den fast 3,43 Millionen verblei­benden Unter­nehmen sind viele fest in die Liefer­ketten der inter­na­tio­nalen Großkon­zerne einge­bunden. Mal mehr, mal weniger intensiv und oft auch erst in der nachge­la­gerten Kunden- bzw. Zulie­fer­hier­archie. Und die Global Player sind schon seit Jahren auf dem Weg zu immer mehr ESG und Nachhal­tigkeit. Sollte das Liefer­ket­ten­gesetz kommen (Info am Rande: noch von der „Merkel-Regierung“ auf den Weg gebracht), werden die ohnehin bereits strikt kontrol­lierten Liefer­ketten noch stärker in Augen­schein genommen werden. Meinen Sie, dass dann der Zulie­ferer aus der Eingangs-Story dieses Artikels für den Weltkonzern VW noch haltbar ist?

Der Druck auf Ihre gewerb­lichen Kunden wächst

In Zukunft werden also Großkon­zerne noch viel stärker erst dann Geschäfte mit den Kleinen machen, wenn diese ihrer­seits blitz­blanke Liefer­ketten nachweisen können. Dass das die kleinen und mittel­stän­di­schen Unter­nehmen vor eine enorme Heraus­for­derung stellt, versteht sich von selbst. Wenn schon ein Weltkonzern wie VW nicht in der Lage war, das Problem mit den Chips aus West-China zu identi­fi­zieren, wie sollte es dann der kleine Mittelsmann können? Konzerne wie VW werden die Verant­wortung hierfür in Zukunft noch mehr an die Zulie­ferer abgeben. Das klassische deutsche Familien­unternehmen wird so von gleich drei Seiten in die Mangel genommen:

  • Vom Groß-Geschäfts­partner (Kunden & Zulie­ferer Ihrer gewerb­lichen Bankkunden), der von seinem direkten und indirekten Zulie­ferer den Werdegang jeder kleinen Schraube genau nachge­wiesen bekommen will/muss. 
  • Vom Gesetz­geber, der über das Liefer­ket­ten­gesetz ohnehin absolute Nachweis­barkeit einfordert. 
  • Vom Kredit­geber, der bei fehlenden KPIs mögli­cher­weise keine Kredite mehr vergibt. 

Das Geschäfts­modell und die Zukunfts­fä­higkeit Ihrer Unter­neh­mer­kunden wird immer stärker von ESG und Nachhal­tigkeit abhängig werden. Das bedeutet für Sie, dass Sie die Gespräche mit den Kunden noch tiefge­hender führen sollten.

Wie das alles mit den 7 Fokus­themen zusammenhängt

Vor einigen Monaten habe ich dazu im Versteher-Magazin die 7 Fokus­themen als „Leitplanke“ für das Jahr 2024 etabliert und aufge­zeigt, wie diese unter­ein­ander verknüpft sind:

  1. Geschäfts­modell 
  2. Digita­li­sierung 
  3. ESG und Nachhaltigkeit 
  4. Personal 
  5. Nachfolge 
  6. Privat­ver­mögen 
  7. Asset und Family Protection 

Diese Themen werden auch hier wieder hochgradig relevant, da das Geschäfts­modell (1) Ihrer Unter­neh­mer­kunden zwangs­läufig mit ESG (3) zusam­men­hängt, und dazwi­schen findet sich die Frage der Digita­li­sierung (2), durch die die Liefer­ketten überhaupt erst überwachbar werden. Und dafür benötigt man wiederum Fachkräfte (4), die mit den digitalen Produk­ti­ons­ge­räten umgehen können und aufseiten der Verwaltung die notwen­digen Vernet­zungen herstellen und pflegen können.

Das kann mitunter gravie­rende Auswir­kungen auf die Unter­nehmens- und Vermö­gens­nach­folge (5) haben. Und das hat einen Einfluss auf das Privat­ver­mögen (6), da eventuell Eigen­ka­pital nötig wird, um die durch unzurei­chende ESG-KPIs ausblei­benden Kredite aufzu­fangen. Und zu guter Letzt wird durch mehr Digita­li­sierung auch die IT angreifbar – Asset und Family Protection (7) bzw. Cyber­si­cherheit wird darum ein wichtiges Thema sein.

Tipp: Sie finden dazu auf meinem LinkedIn-Profil ein sog. „Cheat-Sheet“, wo alles auf einer Seite zusam­men­ge­fasst ist, zzgl. einer „Dosen­öff­ner­frage“ zu jedem Fokusthema

Exkurs: Zuschüsse

Aufgrund der eventuell ausblei­benden Kredite werden (nicht zurück­zu­zah­lende) Förder­zu­schüsse immer wichtiger werden. Im Gespräch mit dem Unter­neh­mer­kunden werden also folgende Fragen zu klären sein:

  •     Was genau ist zu tun? 
  •     Wer wird es konkret für das Familien­unternehmen umsetzen (extern, intern, rein beratend oder aktiv mitarbeitend)? 
  •     Was wird das kosten? 
  •     Woher kommen die Finanz­mittel dazu (Förder­gelder, Bankkredite, Eigen­ka­pital etc.)? 

Die Zukunft steht im Zeichen des ESG

Ich denke, dass sich durch diese Rahmen­be­din­gungen in naher Zukunft ganze Branchen neu erfinden werden (müssen) und gut aufge­stellte Unter­nehmen insgesamt profes­sio­neller organi­siert sein werden. Wer diese Entwicklung nicht mitgehen kann, wird durchs Raster fallen, da man immer schwerer an Geldmittel kommen wird. Die wiederum sind aber notwendig, um im Konzert des Wettbe­werbs weiterhin eine Rolle spielen zu können. Bei den angespro­chenen Förder­mitteln ist es ja bereits heute so, dass man diese kaum noch bekommt, wenn die Unter­neh­mens­kenn­zahlen nicht deutlich positiv sind.

Ich denke, dass wir ein Szenario sehen werden, wie ich es bereits im Dezember 2019 prognos­ti­ziert habe: Es wird in Zukunft vor allem unfassbar große Weltkon­zerne geben, flankiert von kleinen hochspe­zia­li­sierten „Putzer­fisch-Unter­nehmen“, die aufgrund ihrer großen Agilität, ihrer schnellen Innova­ti­ons­fä­higkeit und ihres geringen Ressour­cen­auf­wands durch den Wellengang hindurch­ma­nö­vrieren können. Familien­unternehmen des Mittel­stands wird es immer weniger geben. Nur wirkliche Vollprofis, die alle 7 oben genannten Fokus­themen gemeistert haben, werden sich weiterhin behaupten können – und dafür brauchen diese Unter­nehmen Sie als ganzheit­lichen Sparrings- und Finanzpartner!

Aus diesem Grund ist es wichtig, dass Sie sich in Gesprächen mit Ihren Unter­neh­mer­kunden zwar noch mit den Zahlen der Vergan­genheit beschäf­tigen, aber die Aussichten der Zukunft ebenfalls mit einkal­ku­lieren. Wer hier nicht recht­zeitig die „richtigen“ Kunden filtert, wird deutliche Einbußen im Ertrag und mitunter sogar Kredit­aus­fälle verzeichnen.

Handlungs­emp­fehlung: Vorbe­reiten auf die ESG-Zukunft

Nehmen Sie zunächst die 5 Branchen, mit denen Sie auf Kunden­seite am häufigsten zu tun haben. Heben Sie daraus wiederum einige exempla­rische Kunden hervor und prüfen Sie deren Liefer­ketten und Geschäfts­mo­delle. Wo sind Auffäl­lig­keiten, wo sind Muster? Ist das Unter­nehmen sehr trans­port­lastig? Kommen viele Materialien aus einer bestimmten Region (hoffentlich nicht West-China)? Wie viel Energie wird zur Wertschöpfung benötigt?

Danach spielen Sie einige Szenarien durch: Was passiert zum Beispiel mit dem Kunden, wenn das Liefer­ket­ten­gesetz verab­schiedet wird? Oder wenn in Zukunft verstärkt ESG-KPIs bei der Kredit­vergabe beachtet werden müssen?

So filtern Sie effizient dieje­nigen Unter­nehmen, die dringend proaktiv angesprochen werden sollten. Und indem Sie maßge­schnei­derte Lösungen ausar­beiten und anbieten, positio­nieren Sie sich dabei einzig­artig beim Unter­neh­mer­kunden, was sich positiv auf Ihre eigenen Erträge auswirken wird.

Hier finden Sie weitere inter­es­sante Artikel des Versteher-Magazins zum Thema ESG und Zukunft:

Kontakt

Dirk Wiebusch
info@ifuf.de

Keine neuen Artikel mehr verpassen und jetzt kostenfrei das Versteher-Magazin abonnieren!

Teilen Sie dies mit Ihrem Netzwerk:
Xing
LinkedIn
Follow by Email
RSS
Facebook
Twitter
Google+