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Aufmerksame Leser des Versteher-Magazins und Hörer meiner Podcasts kennen mich vielleicht als „nebenberuflichen“ Fußballfan, der gerne mal Analogien aus der Welt des runden Leders nutzt. Für das heutige Thema – die Unternehmensnachfolge – drängt sich genau solch ein Vergleich geradezu auf. Denn nicht wenige Fußballvereine haben mit ganz ähnlichen Herausforderungen zu kämpfen wie Ihre mittelständischen Familienunternehmerkunden. Darum möchte ich auch gleich zu Beginn klarstellen: Natürlich hätte man auch einen anderen Verein als den FC Bayern zum Vergleich heranziehen können. Doch ich denke, dass ich als Ruhrpott-Kind mit entsprechenden fußballerischen Loyalitäten dennoch als Unparteiischer in diesem Vergleich akzeptiert werde.
Von Beginn an erfolgreich?
Die Geschichte des FC Bayern beginnt in den Worten seiner heutigen Homepage mit einer „Rebellion“: 11 junge Männer spalten sich im Jahr 1900 vom „Männer-Turn-Verein“ ab, um sich dem damals noch „neumodischen“ Fußball zu widmen. Und Sie feiern auch bald die ersten regionalen Erfolge. Eben genau so, wie bei vielen Familienunternehmen in der Gründungsphase. Doch im Fußball wie in der Wirtschaft gibt es die wenigsten damals gegründeten Strukturen heute noch. Statistisch existieren von 100 Existenzgründungen schon nach fünf Jahren nur noch 20. Nach zehn sind es noch 4 und nach zwanzig Jahren nur noch 1 Unternehmen von 500. Bei geschätzt 30 Jahren pro Generation sind das über 125 Jahre mindestens vier Generationenwechsel.
Die großen Erfolge lassen erst auf sich warten
Würde es Sie überraschen, zu hören, dass der FC Bayern nach seiner Gründung noch 32 Jahre (also eine Generation) warten musste, bis er den ersten Meistertitel erringen konnte? Genau wie bei erfolgreichen Unternehmen vergisst man heute leicht, dass Erfolg auf jahrelangem Durchhalten, Erfahrung-Sammeln, Resilienz-Aufbauen und Leid-Ertragen aufbaut.
Wenn Sie in den vergangenen Jahren unsere Sommer-Serie über den typischen Werdegang eines Unternehmers verfolgt haben, dann haben Sie einen Eindruck davon, wie schwer gerade die ersten Jahre für eine Existenzgründung sein können. Und jetzt stellen Sie sich das Gleiche für ein Unternehmen vor, das um 1900 gegründet wurde – da kommen noch ganz andere Erfahrungen in der Unternehmenschronik dazu. Zum Beispiel die leidvollen Jahre des Nationalsozialismus, die die DNA der Unternehmen maßgeblich mitgeprägt haben.
Langsames, stetiges Wachstum
Heute verfügt der FC Bayern über eine beachtliche Titelsammlung. Kaum zu glauben, dass dies auch damit zusammenhängt, dass man 1963 eben nicht als Gründungsmitglied in die Bundesliga aufgenommen wurde. Der damalige Präsident Neudecker setzte mangels finanzieller Strukturen auf die Jugend. Und Jungtalente wie Franz Beckenbauer oder Gerd Müller trieben daraufhin die Entwicklung hin zum nächsten Meistertitel 1969.
In der Generation nach dem Zweiten Weltkrieg finden sich viele Parallelen bei den Familienunternehmen. Auch hier musste zunächst wiederaufgebaut werden – Produktionsstätten, Lieferketten, Mitarbeiter, Kundenstrukturen. Das bedeutete Jahrzehnte, wenn nicht sogar eine ganze Generation am seidenen Faden, um den Grundstein für zukünftige Erfolge zu legen.
Ein Ausnahmetalent führt das Unternehmen endgültig zum Erfolg
Wenn ich mit Unternehmern spreche, dann erkenne ich immer wieder, dass in der Historie der Firma irgendwann ein absoluter Profi erscheint, der das Unternehmen langfristig in neue Gefilde des Erfolgs katapultiert. Nationale bzw. internationale Expansion, deutliche Ausweitung des Geschäftsvolumens – all das wird häufig von einem echten Macher angefacht, der seinen Weg in die Firma gefunden hat. Und auch hier tun sich wieder Parallelen zum Fußball auf:
Als Uli Hoeneß 1979 das Management des FC Bayern übernahm, da existierte der Verein bereits seit 80 Jahren und hatte 16 nationale sowie internationale Titel gesammelt – und ein Olympiastadion als erheblichen Wettbewerbsvorteil, denn Zuschauereinnahmen waren zu diesem Zeitpunkt mitunter die Haupt‑, wenn nicht sogar die einzige Einnahmequelle. Dennoch litt der Verein unter einer Schuldenlast von 7 Millionen D‑Mark (3,6 Millionen Euro – inflationsbereinigt heute etwa 9,9 Millionen Euro), während der Jahresumsatz bei 12 Millionen D‑Mark lag (6,1 Millionen Euro – inflationsbereinigt 16,9 Millionen Euro). Man bewegte sich damals also noch auf einem schmalen Grat der Wirtschaftlichkeit, wie es auch Familienunternehmen jahrzehntelang tun.
Uli Hoeneß führt zum langfristigen wirtschaftlichen Erfolg
Unabhängig von persönlichen Meinungen lässt sich über Uli Hoeneß eines objektiv sagen: Er hat sowohl für den FC Bayern als auch für den nationalen und internationalen Fußball Außergewöhnliches geleistet. Und das vor allem durch seine aggressive und risikofreudige Art. Wenn Uli Hoeneß der Konkurrenz die besten Spieler weggeschnappt hat, dann hat er damit auch nicht anders gehandelt als diejenigen Familienunternehmer, die sich besonders lange am Markt halten konnten. Lassen Sie sich vom Begriff „Familienunternehmen“ nicht täuschen: Wenn es darum geht, sich gegenüber der Konkurrenz außerhalb der Familie (und der „erweiterten Familie“) durchzusetzen, dann wurde und wird immer mit harten Bandagen gekämpft.
Wie bei Familienunternehmen auch hat das enorme Wachstum des FC Bayern jedoch nicht nur zu positiven Entwicklungen geführt. Es liegt in der Natur des Wachstums, dass man das „Mia san Mia“-Gefühl verliert, wenn der Bolzverein plötzlich zum millionenschweren Wirtschaftsunternehmen wird. Und auch anhaltender Dauererfolg bringt nicht nur Gutes mit sich. Vom Erfolg wird man bekanntlich satt und träge.
Bei Familienunternehmen sieht man diese Entwicklung häufig in der Personalstruktur. Wenn auf allen Ebenen 40- und 50-Jährige sitzen, die seit Jahrzehnten dabei sind und auch noch 20 Jahre weiterarbeiten möchten, dann wird es schwierig für junge Talente, in diesem „geschlossenen Verein“ die Karriereleiter zu erklimmen. So ähnlich war die Situation in der aktuellen Saison auch beim FC Bayern: Man hatte es mitunter schwer, noch hochkarätige Spieler oder Trainer zu finden. Wichtige Positionen sind mit verdienten, scheinbar unantastbaren Spielern „besetzt“. Das schreckt natürlich potenzielle neue Leistungsträger ab.
Das Problem mit der Nachfolge
Uli Hoeneß führte den FC Bayern in ein goldenes Zeitalter. Doch was passierte danach? Nun, zunächst wurden als Ersatz für Hoeneß und Rummenigge Oliver Kahn und Hasan Salihamidžić in die Führungsetage geholt – in der Hoffnung, die beiden ehemaligen Spieler könnten die großen Fußstapfen durch ihre Außenwirkung und ihr unternehmerisches Geschick ausfüllen.
Ich will es ganz offen sagen: Meines Erachtens war das einer der größten Fehler in der Nachfolgeplanung, die ich in den letzten Jahren (oder sogar Jahrzehnten) gesehen habe. Denn zu glauben, dass ehemalige Spieler einfach so in die Führungsetage einsteigen können, ist genauso fatal wie zu glauben, dass die Unternehmerkinder einfach so in die Geschäftsführung eines Unternehmens „aufrücken“ und quasi automatisch einen guten Job machen können.
Im Fall des FC Bayern muss man sich auch vor Augen halten, welche unterschiedlichen Situationen Uli Hoeneß und Oliver Kahn „geerbt“ haben: Hoeneß übernahm 1979 noch einen Fußballverein – Oliver Kahn hingegen ein weltweit verflochtenes Unternehmen mit mehreren hundert Millionen Euro Umsatz im Jahr und über 1.000 Mitarbeitern. Eben kein Verein mehr, sondern ein globales Wirtschaftsunternehmen mit Geschäftszweck Fußball-Entertainment.
Bald wurde die Reißleine gezogen und Kahn sowie Salihamidžić wurden durch Finanzmanager ersetzt – also Menschen, die genau wissen, wie man ein globales Unternehmen führt. Doch dadurch tut sich nun eine neue Herausforderung für den Verein auf: Diese geballte Kompetenz muss jetzt auch mit einer kompetenten Kommunikation nach außen verbunden werden. Denn in der Führungsetage tummeln sich nun zwei ehemalige Finanzmanager und ein Aufsichtsratsvorsitzender, der ehemals bei einem großen Sportartikelhersteller im Vorstand war. Also alles kompetente Köpfe, aber nicht unbedingt die charismatischen Figuren, die der Verein für die Außendarstellung braucht.
Denn Image- und Markenpflege sind mittlerweile ein bedeutender Teil des Fußballs geworden. Man steht nicht mehr nur auf dem Fußballfeld in Konkurrenz zu einem anderen Club – auf wirtschaftlicher Ebene muss man sich zugleich gegen andere Vereine und deren teils extrem finanzstarke internationale (Staats-)Investoren behaupten.
Und genau das ist auch die aktuelle Herausforderung unzähliger Familienunternehmen, die kurz vor der Übergabe an die nächste Generation stehen oder andere Anpassungsvoraussetzungen erfüllen müssen. Und die Komplexitäten, die diese Herausforderung mit sich bringt, kennen Sie noch von den sieben Fokusthemen, die ich Ihnen an anderer Stelle immer wieder ans Herz gelegt habe. Unter dem Eindruck all dieser komplexen Wechselwirkungen stehen wir meines Erachtens aktuell vor einem riesigen Umbruch. Wir befinden uns auf dem Weg zu großen, globalen Konzernen, die im Moment alles neu strukturieren und die Welt quasi unter sich aufteilen – und gleichzeitig wird der Kreis großer familiengeführter Unternehmen immer kleiner. Wir werden bald schon erleben, dass ein wesentlicher Teil der deutschen mittelständischen Unternehmen wie Putzerfische an den Großkonzernen herumschwimmen wird – durchaus überlebensfähig und profitabel, aber nur noch Unterstützer der Großkonzerne statt selbst Marktführer.
Unternehmenshistorien verstehen – Herausforderungen bei der Nachfolge meistern
In meiner Funktion als Gründer und Geschäftsführer des Instituts Für UnternehmerFamilien (IFUF) kenne ich zahlreiche (Familien)Unternehmen, die genau die gleiche Entwicklung durchgemacht haben wie der FC Bayern: Zunächst als kleines „Start-up“ im täglichen Existenzkampf über viele Jahre oder Jahrzehnte, bis man sich ein verlässliches Fundament aufgebaut hat. Danach kommt durch Glück oder geschickte Strategie ein echter Macher in die Firma, der ihr auf Basis dieser finanziellen Sicherheit zum echten Durchbruch verhilft (Hoeneß). Und dann kommt in der Nachfolge oft jemand ans Ruder, der mitunter gut ausgebildet ist, aber eben nicht über die Erfahrung verfügt, um das mittlerweile deutlich gewachsene Unternehmen effizient zu führen (Kahn / Salihamidžić).
Bei den Unternehmen sehe ich dann häufig, wie ein 28 bis 30 Jahre alter Mensch plötzlich die Leitung über ein Unternehmen mit 500 Mitarbeitern übernehmen soll, weil der Unternehmer gerne möchte, dass die eigenen Kinder die Firma weiterführen. Dann frage ich diese Unternehmer gerne: „Würden Sie Ihr Unternehmen auch einem 30-jährigen Menschen anvertrauen, wenn er oder sie nicht das eigene Kind wäre?“ Und dann findet sich meist auch das Einsehen, das dem FC Bayern vielleicht bei der Nachfolgefrage nach Hoeneß fehlte. Dann sagen die Unternehmer nämlich: „Nein, dazu müsste der Nachfolger besser vorbereitet werden.“
Nutzen Sie diese Einblicke, um sich bei Ihren Unternehmerkunden als einzigartiger Sparringspartner zu positionieren, der dessen Herausforderungen wirklich ganzheitlich versteht und mit dessen Hilfe die Generationenaufgabe der Nachfolge erfolgreich gestaltet werden kann.
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Dirk Wiebusch
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