Willkommen zum dritten Teil der großen Artikelserie zur Marktfolge Aktiv, die sich heute ganz um das Morgen und Übermorgen dreht – also darum, wie die Marktfolge Aktiv aufgestellt sein muss, um in Zukunft die Rolle als wichtiges Zahnrad zwischen Vertrieb und Unternehmerkunden auszufüllen, die ich letzte Woche bereits für die Marktfolge in Aussicht gestellt habe. Da die Frage nach der Zukunft natürlich sehr komplex ist, können Sie diesen Artikel als Ergänzung zu dem verstehen, was ich zu diesem Thema bereits in einigen anderen Artikeln und Podcasts gesagt habe – schauen Sie sich also gerne noch die Links in der Infobox am Ende an und folgen Sie mir nun in die Welt der Marktfolge Aktiv von morgen!
Eine Zukunft, geprägt von prozessualen und technischen Herausforderungen
Schon heute laufen in zahlreichen Instituten bereits Projekte zur Prozessoptimierung und Verschlankung der Organisationsstrukturen. Prozesse und Strukturen werden in Zukunft einen deutlichen Einfluss auf die Arbeit der Marktfolge Aktiv haben, weshalb ich ihren wichtigsten Aspekt – die Unterteilung in Masse/Standard und Individuallösungen/Unikate – bereits in Teil 2 dieser Artikelserie angesprochen habe. Im Rahmen unseres Blicks in die Zukunft bietet es sich nun an, noch mal genauer auf diesen Punkt einzugehen, denn er bildet die Grundlage der zukünftigen Arbeit sowohl der Vertriebler im Institut als auch der Marktfolge Aktiv.
Fall 1: Standardprozesse für die Masse
Standardisierung ist aktuell der Weg zur Vereinfachung des Aufwands auf Produktseite: Nicht jeder Kunde braucht und möchte eine maßgeschneiderte Lösung, das Gros der Kleinunternehmer kommt nicht nur gut mit standardisierten Produkten zurecht, es kann für sie sogar weniger Aufwand bedeuten. Schließlich möchte nicht jeder kleine Handwerksbetrieb jedes Wort im Kreditvertrag einzeln aushandeln. Das ist wie in einem Restaurant, bei dem es das Schnitzel ausschließlich mit Pommes gibt – das klingt erst mal einschränkend, doch die allermeisten Gäste können sich problemlos damit arrangieren. Zumal die Auswahl „Pommes“ bei einer hohen Zahl an Kunden passt. Pommes mag ja (fast) jeder.
Werfen wir einen Blick in die Zukunft, dann sehen wir zunächst Prozesse in Familienunternehmen, die so heute schon in vielen Firmen möglich sind und in Zukunft meiner Einschätzung nach zum Standard werden. Hier ein Beispiel:
- Der Unternehmer möchte eine Rechnung bezahlen. Dazu bekommt er vom Geschäftspartner eine Rechnung als PDF-Dokument per Mail zugeschickt.
- Die zieht er dann per Drag-and-drop in sein Buchhaltungsprogramm – zum Beispiel DATEV-Online. Das Programm erkennt den Inhalt, gleicht diesen automatisch mit bereits vorhandenen Daten ab (alte Rechnungen vom selben Geschäftspartner etc.) und fragt, ob die Rechnung bezahlt werden soll.
- Der Unternehmer klickt auf „ja“, woraufhin sich das Programm mit den drei in Echtzeit eingebundenen Bankkonten des Unternehmens verbindet, um die Kontostände mit dem Rechnungsbetrag abzugleichen.
- Der Unternehmer kann nun auswählen, von welchem Konto die Rechnung bezahlt werden soll, woraufhin das Programm direkt einen Buchungssatz aus der Rechnung erstellt. Alles in allem eine funktionierende digitale Echtzeit-Buchhaltung.
Was hat das alles mit Ihrem Institut zu tun? Nun, stellen wir uns mal vor, dass der Unternehmer einen Standardkredit oder eine Erweiterung bestehender Kreditlinien braucht. Zum Beispiel von 50.000 Euro auf 100.000 Euro. Dann geht er wieder in sein Programm und gibt seinen Kreditwunsch ein. Dank der Echtzeitverbindung mit seinen drei Konten erhalten nun alle drei Institute zur selben Zeit die Anfrage. Ähnlich wie bei einer automatisierten Schufa-Anfrage kommunizieren die Konten miteinander und erstellen jeweils ein Risikoprofil für den Antragsteller. Danach entsteht zwischen den drei Instituten ein Wettbewerb um die besten Konditionen für den Kunden – und der Unternehmer bekommt direkt das Angebot mit den bestmöglichen Konditionen angezeigt. Ein unkomplizierter, voll digitalisierter Vorgang, der für den Unternehmer gar nicht komfortabler sein könnte.
Hier sehen Sie beispielhaft die Vorteile, die durch Standardisierung entstehen können. Doch vielleicht geht es Ihnen wie mir, und Sie sehen zusätzlich noch die Stellen, an denen solche Prozesse eher problematisch wären: Was ist zum Beispiel, wenn es um die Einschätzung von Sicherheiten geht? Oder wenn der Kunde öffentliche Fördermittel nutzen möchte? Was, wenn es sich bei der Firma um eine Holding oder eine GmbH & Co. KG handelt – vielleicht sogar mit Auslandstöchtern? Und was, wenn es nicht um 100.000 Euro geht, sondern um 10.000.000 Euro? Meinen Sie wirklich, dass digitale Standardprozesse derart komplexe Vorgänge noch adäquat verstehen und bearbeiten können? Vielleicht fehlt mir einfach das technische Know-how (oder zumindest die Technikgläubigkeit), doch genau diese Prozesse lassen mich glauben, dass die Standardisierung nur dann funktionieren kann, wenn man sich gleichzeitig die Option zur Individualisierung offenhält, um die komplexen Anliegen der Top-Kundschaft adäquat abzufangen, und analog im Mensch zu Mensch (MzM) tiefer diskutiert.
Standardisierung – ja! Aber dann auch rigoros!
Ich halte es für gut und richtig, bei bestimmten Zielgruppen in Zukunft auf standardisierte Produkte umzusteigen. Aus meiner Sicht gehen allerdings noch viele Institute zu unbedarft an diesen Umbau ran. Das sieht man vor allem an drei Stellen:
- Die Anzahl der Produkte und Dienstleistungen wird nicht drastisch (genug) reduziert – vor allem nicht im Vergleich zu der rigorosen personellen Verschlankung, die wir zum Beispiel in der Marktfolge Aktiv sehen.
- Die Prozessverschlankung berücksichtigt nicht ausreichend, dass (Ziel-)Kunden ein „Du darfst/kannst alles selber machen“ leicht als ein „Du MUSST alles selber machen“ interpretieren – darauf hatte ich vor Kurzem bereits am Beispiel der Einreichung von Kreditunterlagen und der Änderungen von Verfügungsberechtigten hingewiesen.
- Es wird immer noch versucht, analoge Abläufe 1 zu 1 in standardisierte digitale Abläufe zu übersetzen.
So manches Institut hat in der Vergangenheit versucht, den Kunden die Standardisierung schmackhaft zu machen, indem eine große Vielfalt neuer Finanzprodukte ins Angebot aufgenommen wurde – es soll schließlich jeder das finden, was er sucht. Doch jedes Produkt und jede Dienstleistung ist letztlich ein eigener Prozess im Institut. Und je mehr Produkte, desto mehr Prozesse, desto mehr Arbeitsaufwand und so weiter und so fort. Vergessen Sie nicht, dass die Einführung von Standardprodukten letztlich das Ziel hat, genau diesen Aufwand zu minimieren. Ein riesiges Angebot ist also das genaue Gegenteil von dem, was man eigentlich erreichen wollte: Es werden immer mehr neue Produkte angeboten und die Zahl der dahinterliegenden Prozesse explodiert.
An dieser Stelle können wir vielleicht etwas aus dem Gastronomiegewerbe lernen. Da haben die Top-Restaurants in der Regel eine eher überschaubare Anzahl an Gerichten. Und das liegt in der Regel nicht daran, dass ein Restaurant mit italienischer, indischer, türkischer, chinesischer und französischer Küche nicht kochen kann. Nein, es ist gerade bei profitablen Top-Restaurants eine Frage der internen Abläufe: Bieten Sie beispielsweise Gerichte mit Pommes, mit Kroketten und mit Pellkartoffeln an, dann erzeugt das nur wenig Aufwand: Alle drei Beilagen werden aus Kartoffeln gemacht – eine Ressource, vielfältig einsetzbar. Anders sieht es da zum Beispiel mit Rosenkohl aus. Der ist von Natur aus nicht jedermanns Sache und lässt sich auch nicht in so vielen Varianten anrichten. Am Ende bleibt das Restaurant dann auf kistenweise Rosenkohl sitzen, während die Kartoffeln in tausendundeiner Form weiter auf dem Speiseplan landen können.
In Ihrem Institut sieht es vermutlich im Vergleich so aus, dass Sie mittlerweile statt 10 Gerichten und 5 Beilagen 100 Gerichte und 20 Beilagen anbieten. Ganz ehrlich: Würden Sie in einem solchen Restaurant essen wollen? Wie bereits erwähnt: Die Restaurants mit der größten Auswahl sind meistens nicht die, die wirklich alle Gerichte hervorragend und vor allem täglich frisch zubereiten können. Und wenn es auf der Karte so viele Gerichte gibt, dann fühlt sich womöglich auch noch der eine oder andere Gast dazu hingerissen, statt dieser Beilage lieber jene zu ordern, und hat auf einmal diverse Extrawünsche. Das überfordert den Service und sorgt für eine heillos durcheinanderlaufende Küche – als Außenstehender möchte man dem Küchenchef am liebsten zurufen: „Selbst schuld!“
Nehmen Sie sich hier auch gerne ein Beispiel an Ihren Firmenkunden. Klar gibt es da welche, die Tausende von Produkten anbieten. Aber die sind ja eher die Ausnahme. Die meisten haben ein überschaubares Sortiment, das sich gegebenenfalls gut kombinieren lässt. Und sehen die Unternehmen, dass ein Produkt nicht mehr läuft, dann wird es rigoros aus dem Angebot geworfen. Man hält noch ein paar Jahre Ersatzteile vorrätig und dann wird das Lager frei geräumt für die Produkte, die sich wirklich noch gut verkaufen. Stellen Sie sich vor, Sie müssten Ihre Finanzprodukte in einem Lagerhaus aufbewahren. Dann würden Sie auch lieber die ganzen Produkte loswerden, die sich ohnehin nicht (mehr) verkaufen – oder möchten Sie die laufenden Kosten für die Lagerung von etwas tragen, aus dem Sie praktisch kein Geld mehr rausholen können?
Handlungstipps für die Standardisierung
Kurz und knapp: Wer standardisiert, um die Prozesse zu verschlanken, der erreicht das genaue Gegenteil, wenn er fortan 100 Standardprodukte anbietet – und wer dann gleichzeitig noch Personal einspart, der hat es ja fast schon darauf angelegt, seine Organisation zu überlasten. Erstellen Sie also eine Liste mit allen Finanzprodukten, die Ihr Institut derzeit anbietet. Nicht vergessen: Ein Produkt = ein Prozess. Prüfen Sie nun streng nach dem Pareto-Prinzip:
- Welche Produkte werden wirklich (noch) genutzt?
- Welche werden (noch) aktiv von Beratern verkauft?
- Welche werden aktiv von Kunden nachgefragt?
Meiner Erfahrung nach stellt sich dann schneller heraus, dass Ihr Institut – auch aufgrund der gesetzlichen Vorschriften – noch diverse Handbücher und ähnliche Infomaterialien sowie Abläufe zu Produkten und Prozessen vorrätig hält, für die sich vielleicht seit Jahrzehnten gar kein Kunde mehr interessiert hat. Sie werden ebenfalls feststellen, dass viele Produkte vielleicht noch von Ihren Beratern beworben werden – doch aktiv selbst angefragt hat sie seit Jahren kein Unternehmer. Das ist natürlich den Zielkarten geschuldet. Sagt der Koch in unserem Restaurant-Beispiel den Kellnern, dass sie im Rahmen der Sommer-Speisekarte den Rosenkohl empfehlen sollen, damit der endlich aus dem Lager kommt, dann verkaufen sie vielleicht noch einige Gerichte mit dieser Beilage. Doch aktiv darum bitten wird sie keiner der Gäste. Und am Ende des Sommers liegt dann doch der Rosenkohl kiloweise im Lager und muss weggeworfen werden. Vielleicht hat der Koch sogar Rosenkohl nachgeordert und dabei übersehen, dass die Gäste nicht unbedingt Rosenkohl bestellen, nur weil der Kellner ihn in höchsten Tönen anpreist.
Nachdem Sie nun also identifiziert haben, welche Finanzprodukte Sie noch anbieten – und welche sich tatsächlich noch verkaufen oder zumindest aktiv beworben werden –, kommt der Punkt, an dem Sie intern mit einem enormen Widerstand rechnen müssen: Reduzieren Sie rigoros das Produktangebot auf die wesentlichen Produkte, die auch tatsächlich nachgefragt werden. Ich garantiere Ihnen, dass Sie dafür viel Unmut von Ihren Beratern ernten werden. Denn eine Reduzierung der Produktpalette ist auch eine Reduzierung der Verkaufsoptionen für die Berater, und das kann ihnen an die Berufsehre gehen! Vor allem, wenn Sie in allen Bereichen eine „offene Architektur“ eingeführt haben. Dazu brauchen Sie sich nur anzuschauen, wie es hergeht, wenn in einschlägigen TV-Sendungen Starköche zum Aufpäppeln schlecht laufender Restaurants die Karte zusammenstreichen. Da ruft vom Wirt bis zum Küchengehilfen jeder „Nein, das geht nicht, das ist doch unsere Spezialität!“, aber die Stammgäste vermissen am Ende dann doch nichts. Und die neu gewonnenen Gäste können gar nichts vermissen, denn sie kennen ja nur die neue, „eingedampfte“ Karte. Also halten Sie den Gegendruck aus. Der legt sich bald wieder.
Und auch meine letzte Handlungsempfehlung erfordert einiges an Mut – denn es ist eine Sache, ein Produkt, das ohnehin keiner haben möchte, nicht mehr anzubieten. Es ist eine ganz andere Sache, bestehende Verträge aufzulösen. Und genau das empfehle ich Ihnen: Lösen Sie sich von bestehenden Produkten und Verpflichtungen, wenn diese sich einfach nicht mehr rentieren. Doch Vorsicht: Ich meine nicht, dass Sie Ihren Kunden reihenweise einseitig die Verträge kündigen sollen – das wurde in den letzten Jahren häufig gemacht und hat letztlich nur zu viel schlechter PR und einigen unnötigen Gerichtsverfahren geführt. Ich sage: Zahlen Sie Ihren Kunden ruhig auch einen Auflösungsbonus, um sie einvernehmlich von dem Produkt abzubringen. Kalkulieren Sie ruhig mal durch, wie viel Auflösungsbonus Sie bezahlen können, sodass Sie am Ende doch noch Geld für die Prozesse einsparen. Wichtig ist dabei, dass das Produkt auch wirklich aufgelöst wird. Wenn von 100 Kunden nur 90 dabei mitmachen, haben Sie am Ende noch 10 Kunden, denen Sie ein veraltetes Produkt zur Verfügung stellen müssen. Rein rechnerisch ist das sogar mehr Aufwand, als wenn die Prozesse zumindest noch für 100 Kunden weiter gepflegt werden müssen. Kommen Sie ganz knapp nicht zur vollständigen Auflösung, dann bieten Sie den letzten unwilligen Kunden gerne auch einen noch höheren Bonus an. Dann aber mit Stillschweigevereinbarung, denn sonst fangen vielleicht bei der nächsten Auflösung alle Ihre Kunden mit dem Zocken an!
Ein klares Ziel
Die Standardisierung bestimmter Leistungen ist kein Selbstzweck, sondern eine notwendige Entwicklung für die Zukunft. Ich bin fest davon überzeugt, dass es ohne eine solch drastische Reduzierung von Produkten und Dienstleistungen und die damit einhergehende hohe Zahl an Auflösungen bestehender Verträge keine markante, dauerhafte und nachhaltige sowie profitable Prozessoptimierung geben kann.
Um noch mal auf unsere Restaurant-Metapher zurückzukommen: Ich habe aktuell den Eindruck, dass es vielerorts als Tabu gesehen wird, die Speisekarte anzupacken und alles rauszuwerfen, was mehr Aufwand als Gewinn erzeugt. Stattdessen werden fleißig die Tische neu gestellt, die Bedienung bekommt neue Laufschuhe und die Köche neue Töpfe. Doch hintenraus bringt nichts von alledem etwas, da man immer noch mit viel zu vielen Gerichten, viel zu vielen Rezepten und viel zu vielen Zutaten im Lager hantiert. Kein Wunder, dass immer alle „mehr Personal!“ schreien: Wenn Personal abgebaut wird, während die Anzahl an Produkten und Prozessen gleich bleibt, dann bedeutet das selbstverständlich eine wachsende Auslastung des bestehenden Personals. Und dann muss man sich auch nicht wundern, wenn bald die Kündigungen und Krankschreibungen überhandnehmen und der Nachwuchs kein Interesse mehr daran hat, in Ihrem Institut zu arbeiten. Wie sich die vorhandene Arbeit sinnvoller organisieren lässt, sehen Sie beispielsweise hier:
Fall 2: Individual- und Komponentenlösungen für Top-Kunden
Neben den standardisierten Lösungen wird es in Zukunft auch noch Produkte und Dienstleistungen geben, die zu einem gewissen Grad individualisiert – oder zumindest aus individuellen Komponenten zusammengesetzt – sein werden. In den erfolgreichen Produktionsunternehmen geht die Entwicklung meist so, dass man bei der Gründung ein Produkt hat, das komplett individuell und manuell angefertigt wurde. Nimmt die Auftragsmenge schließlich zu, dann erhöht man die Produktionsmenge und versucht, den Produktionsprozess zu erhöhen. Identische Angebote und sich wiederholende Prozesse werden dann vordefiniert, um Prozesse zu entwickeln, die standardisierte Produktionsabläufe mit individuellen Lösungen kombinieren, zum Beispiel durch Anfertigung standardisierter Komponenten, die dann individuell zusammengesetzt werden können. Stellt man dann fest, dass bestimmte Kombinationen von den Kunden besonders häufig gekauft werden, standardisiert man die Produktionsprozesse weiter, bis diese Kombination in hohen Stückzahlen standardmäßig gefertigt wird – und am Ende alle Produkte dieses Typs gleich sind.
Das Prinzip kennen Sie alle von Firmen wie mymuesli, aber auch generell von der Systemgastronomie, von Pauschalreisen-Anbietern oder sogar von Autoherstellern. Und auch Finanzinstitute fahren mit dem Modell sehr gut. Ich kenne zum Beispiel eine Abteilung „Private Banking für Unternehmerfamilien“, die im Bereich Wertpapierangebote nur 8 Produkte listet (2x Vermögensverwaltung, 4x Standardfonds, 2x Themenfonds). Klingt wenig, bringt aber pro Woche bis zu zweistellige Millionenbeträge neue Depotanlagen von den Unternehmern ein.
Die Herausforderung für die Finanzinstitute: Während das Produktionsunternehmen die Individuallösung sinnvoll zur Komponentenlösung und schließlich zur standardisierten Lösung simplifizieren kann, müssen Sie aus einer Standardlösung eine sinnvolle Komponentenlösung bauen. Denn genau in diesen Lösungen liegt der Ertragskern der Zukunft. Und dazu werden Sie eine Top-Marktfolge-Aktiv, schlanke Prozesse, die richtigen Angebote sowie hervorragend ausgebildete Berater brauchen. Können Sie all das nicht liefern, gehen Sie das Risiko ein, dass Sie bald bei den ertragsstarken Top-Unternehmerkunden Boden verlieren, sowohl im Firmenkunden- als auch im Private-Banking-Bereich. Seit Langem spreche ich ja schon davon, dass schon die aktuelle Produkt- und Dienstleistungspalette nahezu aller Institute aus Sicht der Unternehmer völlig identisch und austauschbar wirkt. Eine fehlgesteuerte Digitalisierung und Standardisierung wird diesen Effekt brutal, gnadenlos und in Hochgeschwindigkeit verstärken.
Wie es aussehen kann, wenn die Prozesse im Institut den Anforderungen anspruchsvoller Kunden nicht gewachsen sind, kann man sehr schön am Beispiel eines unserer Mandanten beim Institut Für UnternehmerFamilien (IFUF) sehen: Der Unternehmer brauchte im Januar einen Kredit über 1.000.000 Euro zur Anschaffung einer Produktionsmaschine. Er reichte also bei seiner Bank alle nötigen Unterlagen ein, inklusive BWA per Dezember 2021. Der Kredit wurde genehmigt und er bestellte die Maschine. Doch dann stellte er fest, dass die Maschine auch noch einen speziellen Aufsatz sowie ein Softwareupdate benötigte – das war vor Inbetriebnahme der Maschine nicht kalkulierbar und somit nicht direkt einzupreisen. Also beantragte er im März weitere 200.000 Euro. Da die Bilanz nun fertig war, reichte er sie unaufgefordert direkt mit ein – und war nicht wenig überrascht, als das Institut den Vorgang plötzlich wie einen komplett neuen Antrag behandelte – nur 7 Wochen nach Bewilligung des ersten Antrags. An den Rahmenbedingungen hatte sich nichts geändert, und dennoch musste er die gesamte Prozedur erneut über sich ergehen lassen. Dass das weder kundenorientiert noch effizient ist, können Sie sicher nachvollziehen. Wenn eine Organisation so arbeitet und die Marktfolge Aktiv das mitmacht, dann wird es im Kampf um die attraktiven Unternehmerkunden zukünftig sehr eng.
Der Marktfolge-Aktiv-Mitarbeiter der Zukunft
Wer heute noch auf die Frage „Wie sieht das Geschäftsmodell des Kunden aus?“ lediglich antworten kann „Er baut Garagentore“, der handelt meines Erachtens grob fahrlässig. Wir alle haben in den vergangenen Monaten gesehen, wie der Ukraine-Krieg und die Corona-Lockdowns in asiatischen Containerhäfen selbst diejenigen Unternehmer direkt oder indirekt beeinträchtigt haben, die nur regional aufgestellt waren und vermeintlich ganz unkomplizierte Wertschöpfungsketten hatten. Ich habe es schon in diversen Artikeln, Podcasts und Seminaren beschrieben: Das Geschäftsmodell und die Wertschöpfungskette Ihrer Kunden detailliert zu kennen ist heute eine der wichtigsten fachlichen Anforderungen.
Das gilt insbesondere für die Marktfolge Aktiv, denn sie beschäftigt sich mit der Risikoprävention im Kreditprozess – und diese Risiken lassen sich eben nur erkennen, wenn man das Geschäftsmodell des Kunden begreift. Auch Kenntnisse zu ESG und Digitalisierung werden in Zukunft zwingend notwendig sein. Nicht zuletzt, da die BaFin sie in Zukunft deutlich intensiver einfordern wird. Leider verwenden auch Marktfolge-Aktiv-Mitarbeiter noch viele Begrifflichkeiten aus diesem Themenkomplex falsch oder missverständlich – ein gutes Anzeichen dafür, dass sie sich auch inhaltlich noch nicht ausreichend mit dem Thema beschäftigt haben.
Mir ist auch klar, dass nicht jede Marktfolge Aktiv echte Branchenspezialisten aufbauen kann. Nicht nur, weil die meisten Institute deutlich mehr Branchen bedienen, als es Mitarbeiter in der Marktfolge Aktiv gibt, sondern auch, weil eine solche Bündelung von Know-how auf einzelne Mitarbeiter bei Ausfällen oder Kündigungen das gesamte Institut in echte Schwierigkeiten bringen könnte. Ich empfehle Ihnen deshalb, in der Marktfolge Aktiv die einzelnen Branchen folgendermaßen zu behandeln:
- Schauen Sie, welche Branchen sich in Ihrer Region bündeln – und damit meine ich nicht nur innerhalb Ihres Kundenstamms, sondern generell. Schließlich möchten Sie ja nicht nur Ihre Bestandskunden zufriedenstellen, sondern auch Zielkunden fachlich und professionell überzeugen können.
- Nehmen Sie sich die am stärksten vertretenen 5 oder 10 Branchen vor und recherchieren Sie: Wo kommt die Branche her, wo steht sie heute, wohin entwickelt sie sich? Haben Sie beispielsweise viele Autohersteller in der Region, dann ist es wirklich sinnvoll, sich mal Gedanken über das Thema „Mobilität von morgen“ zu machen.
- Untersuchen Sie die regionalen Branchen im Zusammenhang mit aktuellen Herausforderungen. Zum Beispiel: Wie müssen sich die Autohersteller entwickeln, um den Fachkräftemangel auszugleichen? Insbesondere ESG und Digitalisierung sind in diesem Zusammenhang wichtige Themen, die Sie ergründen sollten.
Gerne unterstütze ich Sie dabei mit individuellen Workshops, zu denen ich auch die Firmenkundenberater, Private-Banking-Berater und Versicherung-Sachkomposit-Berater Ihres Instituts herzlich einlade.
Zukünftige persönliche und professionelle Anforderungen
Wenn Sie mir bislang gefolgt sind, dann sollte es Sie nicht überraschen, dass ich erwarte, dass die Anforderungen an den Marktfolge-Aktiv-Mitarbeiter der Zukunft deutlich komplexer sein werden als bislang. Das hat zum einen damit zu tun, dass sie deutlich stärker in die direkte Kommunikation mit Unternehmerkunden beziehungsweise mit deren Mitarbeitern (kaufmännischer Leiter etc.) treten werden. Die fortschreitende Standardisierung und Digitalisierung werden dazu führen, dass die Zeit der Datenübertrager und Beschreiber endlich vorbei sein wird. Statt also vornehmlich Informationen vom Kunden ins Datenverarbeitungssystem zu übertragen und in den Analysen letztlich nur Tatsachen zu wiederholen, die schon aus den Unterlagen ersichtlich sind, wird es darum gehen, diese Informationen in einen Kontext zu setzen sowie vollumfänglich zu betrachten und zu interpretieren. Denn einem Unternehmer brauchen Sie nicht den eigenen EBITDA zu erklären – dafür bezahlt der seinen Steuerberater und kaufmännischen Leiter. Und letztlich stammen diese Informationen ohnehin vom Vorjahr und haben damit eine eher eingeschränkte Relevanz für aktuelle Kreditverhandlungen.
Aufgabe des Marktfolge-Aktiv-Mitarbeiters der Zukunft wird es also vor allem sein, zu den besonders komplexen Kunden angemessen komplexe Analysen anzustellen. Die standardisierten Massenprozesse lassen sich mitunter recht schnell durcharbeiten, aber bei den Top-Kunden, die die höchsten Ansprüche haben und den meisten Ertrag bringen – da wird deutlich mehr individuell gearbeitet werden. Deshalb ist es für die Marktfolge Aktiv der Zukunft wichtig, autonom denkende Mitarbeiter zu haben, die fähig und willens sind, sich auch in komplexe Sachverhalte einzuarbeiten. Und nicht zuletzt sollten sie in der Lage sein, das auch in Kooperation mit dem Unternehmer selbst oder mit seinen Mitarbeitern zu tun.
Ja, das wird für die naturgemäß eher introvertierten Menschen der Marktfolge Aktiv eine deutliche Umstellung sein – aber sie ist nun mal nötig. Ich bin mir aber sicher, dass diese bald dieselbe Begeisterung verspüren werden wie die eher extrovertierten Berater. Fangen Sie am besten mit Betriebsbesichtigungen an. Ja, auch die sollten in Zukunft zum Standardrepertoire der Marktfolge Aktiv gehören. Und ich denke, dass die analytisch denkenden Mitarbeiter der Marktfolge daran auch Gefallen finden werden – es braucht nur die Zeit, die Muße und den Willen, sich in Produktionsabläufe einzuarbeiten. Ich verspreche Ihnen, Sie werden auf Betriebsbesichtigungen Dinge sehen, die niemand aus Ihrem Freundeskreis je zu Gesicht bekommen hat. Zum Beispiel Prototypen, die vielleicht erst nächstes Jahr auf den Markt kommen. Betriebsbesichtigungen sind dahingehend ein bisschen wie eine Mischung aus Sendung mit der Maus, Löwenzahn und Sesamstraße. Nur mit dem Unterschied, dass Besichtigungen nicht nur von Leuten geführt werden, die mit Leidenschaft bei der Sache sind, sondern auch von Leuten, die mit ihrer Leidenschaft die Welt bauen, in der wir heute und morgen leben werden.
Und wenn die Zeitkapazitäten knapp sind für eine Besichtigung (Vorbereitung, Anfahrt/Rückfahrt, Vor-Ort-Gespräch …), dann empfehle ich, dass Sie zukünftig in hohem Maße Videoaufzeichnungen von Betriebsbesichtigungen nutzen. Jeder Firmenkundenberater hat ja heute ein Handy/Tablet. Damit kann man sehr gut die entsprechenden Informationen aufzeichnen. Das spart viele Diskussionen und Beschreibungen. Und wer, wenn nicht der Unternehmer selbst, kann die Maschine am besten erklären. Hierbei bitte keine unnötigen Bedenken: Die DSGVO lässt dies locker zu!
Das passende Mindset
Für die Mitarbeiter der Marktfolge Aktiv wird ein psychologischer Aspekt in Zukunft besonders wichtig sein: zu verstehen, dass man nicht nur irgendwie als Anhängsel des Vertriebs dabei ist, sondern dass man ein wesentlicher Teil des allgemeinen Wirtschaftskreislaufs des Instituts ist und ein essenzielles Zahnrad im Verbund „Berater – Marktfolge – Unternehmer“.
Ihnen als Mitarbeiter der Marktfolge Aktiv sage ich gerne: Sie sind nicht nur „Kredit-Votum“, Sie sind Teil des Ganzen. Aufgrund Ihrer Arbeit werden Fertigungshallen gebaut, Maschinen bestellt, Arbeitsplätze geschaffen. Durch Ihr Dazutun können Arbeitgeber Millionen von Arbeitnehmern beschäftigen und so den Lebensstandard von Millionen von Familien sichern. Sie haben die Kläranlage vielleicht nicht selbst errichtet, aber durch Ihre Arbeit im Hintergrund können nun Tausende Menschen klares Wasser aus dem Hahn trinken.
Die Fußball-Fans unter uns wissen, dass mit Spielern und Trainern allein noch kein Spiel organisiert ist. Dazu braucht es unzählige gute Seelen, die im Hintergrund arbeiten, vom Ticketing über die Greenkeeper bis hin zum Merchandising- und Social-Media-Team. All diese Menschen stehen nie im Vordergrund und dennoch wäre ein Spiel ohne sie undenkbar. Da ist es schon außergewöhnlich, wenn zum Beispiel Cristiano Ronaldo mal jeder Person auf der Geschäftsstelle eine Uhr mit einem persönlichen Dankeschön schenkt. Und ähnlich verhält es sich bei Ihnen im Institut: Ja, zugejubelt wird immer nur den Spielern (Beratern), aber die Marktfolge Aktiv ist ein wichtiger Teil jedes erfolgreichen Vertriebsteams. Genau deshalb wird es auch in Zukunft eine Marktfolge Aktiv geben. Wenn Sie Ihre eigene Bedeutung für den Erfolg des Instituts erkennen und sich auf die komplexen, herausfordernden aber auch spannenden Aufgaben der Zukunft vorbereiten, dann können Sie auch ein Teil von etwas Großartigem sein.
Es geht in der Zusammenarbeit auch darum, Erfolge zu feiern. Wann haben Sie zuletzt mal alle Beteiligten bei einem Top-Abschluss zusammengerufen und das gefeiert (Zusammensitzen, Lieferservice, Essengehen …)? Und zwar von der Assistenz bis zu den Beratern und der Marktfolge? Denn nicht selten sind bei Ihnen bis zu 10 Personen an einem großen Deal beschäftigt. Und jeder gibt sein Bestes. Das sollte dann auch – vor allem durch die Vorstände und Führungskräfte – entsprechend wertgeschätzt und gewürdigt werden. Ich kenne einen Unternehmer, bei dem gibt es dann belegte Brötchen für alle Beteiligten. Kleine Geste – große Wirkung.
Mit Mut und Inspiration in die Zukunft
Zum Schluss möchte ich noch einen Tipp an alle geben, die aktuell in Projekte mit der Maßgabe „Marktfolge der Zukunft“ involviert sind: Schauen Sie mal in einem Top-Restaurant bei Ihnen in der Gegend vorbei und fragen Sie den Inhaber, ob Sie mal bei Hochbetrieb in die Abläufe hineinschnuppern dürfen. Glauben Sie mir, das bringt Ihnen einige großartige Erkenntnisse, die Sie auf die eigenen Abläufe applizieren können. Wir haben hier in Sprockhövel zum Beispiel ein Restaurant auf Top-Niveau, das an einem Freitagabend rund 150 Gerichte an die Tische bringt, bis zu 100 Gerichte zu einer Gesellschaft im Haus sowie 200 Gerichte ins Außer-Haus-Catering. Und gleichzeitig bietet man noch „to go“ an. Und das Ganze stemmt die Belegschaft routiniert und professionell, ohne Hektik oder Geschrei – und gleichzeitig bleibt die Qualität auf Top-Niveau. Wenn Sie so etwas mal gesehen haben, wissen Sie, wie Prozesse ablaufen können, wenn sie von Profis umgesetzt wurden. Von der Bestimmung der Gerichte (Anzahl, Rezepte, Garpunkte etc.) über die Disposition (Wareneinkauf) bis hin zur Produktion (Küche) und zum Kunden (Service).
Genießen Sie den Moment des Staunens beim Zuschauen und lernen Sie daraus. Denn die Welt ändert sich – und Sie sind mittendrin. Vielleicht läuft bei Ihnen im Institut auch bald alles so routiniert ab. Genießen Sie die Zeit mit spannenden und inspirierenden Unternehmerpersönlichkeiten und freuen Sie sich auf die Zukunft. Denn die wird zwar herausfordernd, aber eben auch unglaublich spannend.
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Die Marktfolge Aktiv der Zukunft – Teil 1: Die gute (?) alte Zeit
Die Marktfolge Aktiv der Zukunft – Teil 2: Was wir für das Heute gelernt haben
Projekt-Mythos „vom Kunden her denken“ vs. Realität
Das Arbeiten in Finanzinstituten von morgen – zwischen Angst und Begeisterung
Trio Unternehmer, Firmenkundenberater und Marktfolge Aktiv – jetzt kommt es drauf an!
Episode 6: Die Marktfolge der Zukunft – Risikooptimierer und Vertriebsunterstützer für Firmenkunden, Private Banking und Versicherung
Zu viel Digitalisierung gefährdet Geschäftspotenziale bei Gewerbekunden
Quo vadis, Marktfolge? Die Anforderungen des 21. Jahrhunderts
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